Das Zählen der Finger

Neulich einen Traum gehabt, der so verrückt war, ich erinnere jetzt nicht mehr warum, dass ich ihm wieder durch das Zählen meiner Finger auf die Schliche zu kommen versuchte. Was auch gelang, denn an einer Hand hatte ich sechs Finger, wovon einer merkwürdig lang und dünn war. Nur dieses Mal war das Erwachen falsch und ich blieb in dem Traum, dessen höhere Ebene ich heute ebenfalls nicht mehr erinnere.

Immer wieder komme ich an einen Punkt der Verwunderung, an dem ich bemerke, wie sehr die Bilderwelten, die aus der KI in unserer Welt sichtbar werden, an Traumbilder erinnern können.

Die Sache mit den Fingern ist ja bekannt. Die frühen Bilder von Menschen, die aus der Maschine kamen, zeigten oft Hände mit einer nicht ganz so üblichen Anzahl an Fingern, häufig sechs oder sieben. Manche verwuchsen mit den Gegenständen, die sie hielten oder berührten, als wenn es nicht ganz klar wäre, wo der Körper aufhört und die Welt anfängt. Bzw. die Gitarre.

Ich erinnere außerdem Bilder, die die Maschine in ihrem Vorbewusstsein für mich erzeugt hat — ich fragte nach einer lissabonner Tram und bekam ein (auf dem Tejo?) schwimmendes Ding mit Oberleitungs-Stromabnehmer und dem Turm von Belém als Ausguck. Oder es ging um die Gepäckumladung am Flughafen und das Follow-Me-Fahrzeug hatte dann einen Airport-Tower. All diese Beispiele sind verloren, weil gelöscht und also wie echte Traumbilder nicht mehr wiederherstellbar, weil ich nicht genau wusste, wozu ich sie noch brauchen könnte.

Das Video oben entsprang meiner Neugierde. Basis war das in diesem Beitrag gezeigte Bild, welches einfach nur entstand, weil ich den Text des Beitrags in die Bildermaschine eingegeben hatte. Das ist natürlich nicht der Mittellandkanal, erinnert eher an eine holländische Gracht, was eine besonderer Zufall ist, denn ein Wochenende zuvor war ich an einem ganz ähnlichen Kanal. Ich gab der Bewegtbildmaschine das Bild als Startbild und schrieb dazu: Der eine Mann verschwindet im Wasser.

Warum mich aber das Ausgangsbild so interessiert hat ist, weil ich selber mich immer wieder auf dieser Art von Weg wiederfinde, nachts in den Träumen. Stege, die einfach im Wasser verschwinden, als wäre es genau richtig so und nur mein Fehler, nicht zu wissen, wie man genau auf ihnen gehen muss. Manchmal sind es Treppenhäuser, die in über ihren eigenen Abgrund gelegten Brettern enden im obersten Stockwerk, und schafft man es doch, sie zu überwinden, und zwängt sich durch die Luke, dann ist dort eine riesengroße Wohnung dahinter, die aber zu der eigenen Wohnung gehört, nur den Teil hatte man noch nicht entdeckt bisher.

Ich jedenfalls bin der Mann im schwarzen Mantel, dort auf dem Steg. Hält er sich die Nase zu mit der einen Hand, bevor er im Kanal verschwindet — und was sind das für merkwürdige Möwen?

xx

Letzter Arbeitsweg im Jahr

Bei der Ohrenärztin gewesen. Durch die Lister Straße, dann Lister Damm zum Kanal. Stromumspannwerk. Der Wagenplatz an der Kanalbrücke, ein Hüttendorf, es gibt eine bunte Lichterkette und möglicherweise wird mit Schrott gehandelt. Kannte mal eine, die hier gewohnt hat, Jahre, Jahrzehnte her. Andere Leben. An der Brücke fliegen die Tauben hoch und eine Krähe hockt auf dem Durchfahrt-Verboten-Schild und singt. Möwen auf dem Kanal. An der Swiss Life sage ich dem Hasen auf Wiedersehen und den Schafen, die noch auf der Weide stehen. [11.12.24]

2.850 km

Nachtragungen aus den Tagen

Aufschrift auf einem Transparent an einem Zaun in Altwarmbüchen: »Gans to go: GAN„S“ EINFACH ZUHAUSE GENIEßEN“«. Schneeregen. [19.11.24]

Am Abend leichte Hoffnung, selbstverständlich vollkommen unbegründet, aber wie ein kleines Summen in der Luft, welches zwischen den einzelnen Regentropfen schwebt. Die Lichter in den Fenstern immer und immer. [28.10.24]

Heute erster Bodenfrost, Nebel über dem Kanal und See. Keine Handschuhe, dünne Schuhe, aber nicht schlimm gefroren. [15.10.24]

»Schon in ihrer frühen Schaffensperiode hatte sie sich auf das Fotografieren von Regenbögen mit Schwarzweiß-Filmen spezialisiert«. [11.10.24]

Heute drei Enten im Schwimmbad, die unbeeindruckt am Rand des Schwimmerbeckens schwammen. Die Leute vom Schwimmbad haben sie dann mit Futter aus dem Wasser und in Richtung Wiese gelockt. [4.9.24]

Hier entsteht der Skulpturenpark Kirchhorst

IMG_20240118_081634.jpg

Mit feuchter Kälte vollgesogener Morgen. Ein Schwarm irgendwelcher Vögel am Himmel über dem Caravan Center. Von der ehemaligen Wiese riecht es nach Mörtel. Wie sehr wäre es zu wünschen, die subversive Dorfjugend würde hier ein Schild aufstellen »Hier entsteht der Skulpturenpark Kirchhorst«. [18.1.24]

Sonder mijn heele team kan ik dat niet doen

sagt die Frau im Radio und ich verstehe jedes Wort sofort, fast schon ohne es zu übersetzen, und noch einiges mehr in dem Beitrag, längst aber nicht alles.

Wenn man eine Stunde vor Sonnenaufgang da ist, kann man hören, wie einzelne Vögel nur mit dem morgendlichen Getöse beginnen, über den ganzen großen Platz verteilt sitzt in jedem der Bäume eine Krähe. Sie rufen sich zu, sie machen sich bereit, sie rufen ihre Freunde.

Höre das Album Janus vom ehem. Netlabel Stadtgruen und vielleicht mache ich das jetzt den ganzen Januar hindurch. [4.1.24]

Jakobsmuscheln

Am Freitag war ich spät dran, um den Bus am Bahnhof noch zu erwischen. Da jetzt wieder die Zeit ist, in der ich die Haltestelle und den Bahnhofvorplatz in der Dämmerung erreiche, hätte ich die Krähen erwartet – ein paar waren auch auf den Zweigen und in der Luft, aber vielmehr ein helles Summen anderer Vögel, ein durch die vielen gleichartigen Rufe durchgehender Ton. Versehentlicht nicht auf den Aufnahme-Knopf gedrückt. So bleibt es eine Erinnerung. Sammelten sich die Vögel, um zu einem großen Flug in den Süden aufzubrechen? Während der Busfahrt höre ich französisches Radio. Es werden Jakobsmuscheln beworben, das Kilo für 5 Euro. Der Kontrolleur riecht nach Speick-Seife, wie die ganze Wohnung eines Schulfreundes damals nach Speick-Seife gerochen hatte, oder zumindest das Badezimmer, welches auch als Fotolabor genutzt werden konnte und eine Klemmlampe mit einer Rotlichtbirne darin an irgendeiner Stelle angebracht hatte, wenn ich es richtig erinnere. Der mittlere Bruder baute Radios. Ein Lastwagen mit der riesigen Aufschrift KÄLBERSTROH.de fährt vorbei als ich aus dem Bus ausgestiegen bin und später, in einer Videokonferenz, wird ein entflogener Papagei besprochen.

Die gerufenen Geister, wie sie fliegen

Einem Wink des Zaunpfahls am Wegesrand und der vermaledeiten Neugier folgend, der Maschine Midjourney zu imaginieren erlaubt, anhand bereits vorhandener Textteile, die zuvor (von einer anderen Maschine) übersetzt wurden; und seht die gerufenen Geister, wie sie fliegen.

/imagine But then there is the smell of the harvested field where the crows are already in June.

/imagine a man dressed entirely in black with black hair and a full black beard walking down Bahnhofstrasse, his eyes are also raven black and when he hears the first notes, a somewhat strange dance begins immediately, somewhat like the dwarf in a dream

/imagine Where everything grows in the end can only be up in the sky and there, one hears, everything is already full of things that don't belong there and there is no more space

Aber dann ist dort der Geruch des geernteten Feldes, auf dem die Krähen sind, bereits im Juni.

Heute dann also aus Zeitgründen mit dem Bus zur Arbeit. Vor dem Bahnhof steht ein dicker Mann mit den Füßen und Beinen in den Fontainen des direkt aus dem Boden sprudelnden Springbrunnens und telefoniert lautstark.

 

&&&

Eine Woche später, also am 21.7., am Morgen beim Augenarzt gewesen. Sitze danach mit Schokocroissant auf einem der in den Boden eingelassenen Hocker, in einiger Entfernung zu dem Gulli, aus dem die Musik kommt. Von dort leise Jazztöne. Dann kommt ein ganz in schwarz gekleideter Mann mit auch schwarzem Haar und schwarzem Vollbart die Bahnhofstraße hinunter, auch die Augen blitzen rabenschwarz und als er die ersten Töne vernimmt, beginnt sogleich ein etwas merkwürdiger Tanz, etwa wie der Zwerg in einem Traum. Dann wendet er sich auch einige Male mit einer sich selbst präsentierenden Armbewegung, oder zeigt er auf den Gulli und beginnt einige Sätze in einer unbekannten Sprache. Entfernt sich sodann, stampft aber auch noch ein oder zwei Male auf um zwei Krähen, die sich mit einer Chipstüte befassen, zu verscheuchen und erschreckt einen in einem Weißen Poloshirt, der unvorsichtigerweise beim Gehen auf sein Telefon starrt.

&&&

An dem Tag ein Buch über Krähen geschenkt bekommen. An dem Tag „Das flüssige Land“ zu lesen begonnen. An dem Tag war ein einseitiger Artikel in der Zeitung darüber, dass im Groninger Umland große Risse in den Häusern entstehen, weil die Erde infolge des Gasabbaus absackt.