30.3.2011

[Das dieses hier heute 9 Jahre alt ist, habe ich gerade erst bemerkt. Ich hatte den folgenden Text soeben in eine schöne dunkle Datei mit grünen Buchstaben geschrieben und wollte einen Satz hier lassen, zu den Veränderungen, die die Zukunft bringen wird: denn sie werden kommen: Nicht heute, nicht morgen, aber dieses Jahr noch, vielleicht werden sie nur visuel sein. Dann habe ich mich entschlossen, auch weil er so schön passt, den Text heute noch unkorrigiert hier ins Öffentlich-Digitale zu setzen, vielleicht mache ich morgen hier und dort noch einen Strich..]

~*~

Allerdings und ganz unerwartet kam die Zeit wieder. Durch die Rückkehr an diese Orte, zu den selben Büchern, die dort immer noch sind, die ich schon einmal in der Hand hatte, die ich schon einmal gelesen habe: Das alte Gebäude, die Stadtbibliothek, auch ein dunkelroter Backstein und die schier unfassbare Fülle (sie ist es immer noch) an Geschriebenem darin. Der Geruch der Oberstufenzigaretten vor den Eingangssäulen: Im Haus selber gab es Veränderungen, auf meine Nachfrage wann dies alles geschehen sei – 2000. Das Treppenhaus ist nun im Zentrum des Gebäudes: Ich sitze im Erdgeschoss an einem der PCs und recherchiere meine Signaturen, die Zettelkästen, sie sind auch noch hier, die Microfiche-Leseaparate, tatsächlich sitzt jemand daran, die Spulen rotieren, die Nase im grünen Fluor, im Geheimnis, im Text. Hier ist es geschehen, hier bin ich an die Schrift geraten, hier geschieht es wieder. Stärker bin ich noch nicht geworden, in all den Jahren, muss ich mich manchmal immer noch an den Regalen festhalten, wenn ich aufstehe und zu schnell bin, Schwarz und verschwindsüchtig vor den Augen; So schwer wiegen die Worte, die hier versammelt sind, das ein Einzelner seinen ganzen Mut zusammennehmen muss, sich ihnen entgegenzustellen.

Aber auch an der großen Straße, neben dem Schwimmbad, ist eine Stadtbibliothek, dorthin kann ich mir jetzt, eine Neuerung, vorbestellte Bücher schicken lassen: Als ich dort bin, es sind ja nur drei Schritte, wieder sehr viel Glück: Ein Kindheitstraum wird wahr! Die Comics, die ich mir früher auch schon geliehen habe, von denen ich immer wünschte, sie einmal alle behalten zu können, sie werden im Bücherflohmarkt verkauft, für 20 Cent das Stück. Ich kaufe gleich 18 von ihnen: Mit dem alten Rennrad war ich dann unterwegs, von der Schule am Maschsee zur Reihenhaussiedlung am Stadtrand, entweder ich fuhr an der Hildesheimer vorbei und war dann im fünfstöckigen Bücherregal verloren für eine Stunde, oder ich hielt am Marktplatz in Linden und ging dort ins Rathaus, wo die Bücherei war. (Auch hier ein schönes Detail: In dem hohen Raum war unten in der vorderen Hälfte die Jugendbücherei; ungefähr in der Mitte führte eine Wendeltreppe auf eine Galerie, die war zu drei Seiten nach unten offen: An der Längsseite war gerade Platz für eine Regalwand entlang, vorne und hinten war ein wenig mehr Raum; Hier standen vor allen Dingen die Romane für die Erwachsenen, so dass ich zunächst wenig dort zu schaffen hatte, außer manchmal aus Neugierde über den Blick von Oben hinaufzusteigen. Ich werde demnächst wieder einmal dorthin gehen müssen um mich dort umzuschauen, ob die Erinnerung nicht trügt und alles ganz anders war. Die Damen an den Leihschaltern waren immer ein wenig burschikos und misstrauisch, aber nach einer Weile kannten sie einen dann ja doch auch. Hier gab es ebenfalls SCHALLPLATTEN auszuleihen, die heillos zerkratzt waren und zumeist aus den 60ern und 70ern stammten; Ich habe noch eine oder zwei bespielte Kassetten, die aus dieser Sammlung stammen: Bekenntnis zur Raubkopie bereits im Jugendalter!)

Dann bin ich durch den Regen mit dem Rad Nachhaus gefahren, den Rucksack gefüllt mit den schönsten Sachen.

Die Menschen stehen nebeneinander,

[16.3.] auch neben ihnen fremden, auf der Rolltreppe und lassen sich befördern; Was mich daran stört: (Denken): Ihre Art des passiven Herumstehens sei für alle Nachfolgenden auch so gewollt. So stehen sie auch zum Leben: Still und stumm.

Am Emmichplatz, gegen 14 Uhren: Ein Bauarbeiter demonstriert mit Baggerschauffel und Steinboden eindrucksvoll, dass die nach einer Seite geöffnete Musikhochschule, sie sieht von oben aus wie eine Leier, auch in der Praxis hervorragend als Klangkörper funktioniert.

Vor der HMTMH (Namen der Institution: Zuerst nur HMT, dann HMTH (mit Hannover-H), neuerdings mit zusätzlichem „M“ für „Medien“: Eine Mutti fährt mit Kind auf dem Fahrrad vorbei, erklärt das stehengebliebene Portal des „Neuen Hauses„: //Das ist was ganz altes, das ist noch von den Schweden übrig geblieben//.

Still und stumm.

Ausgerechnet bei der Ärztin,

und während ich auf das Rezept warte, muss ich im Malte Laurids Brigge weiterlesen. Ausgerechnet in dieser Welt, wie sie sich mir heute wieder zeigt.

//Ist es möglich, daß die ganze Weltgeschichte mißverstanden worden ist, Ist es möglich, daß die Vergangenheit falsch ist, weil man immer von ihren Massen gesprochen hat, gerade, als ob man von einem Zusammenlauf vieler Menschen erzählte, statt von dem Einen zu sagen, um den sie herumstanden, weil er fremd war und starb?//

(Rilke: Malte Laurids Brigge)

Ein alter Mann möchte auf die Toilette, die besetzt ist, versucht also die Tür zu öffnen, probiert dann die sich daneben befindet. Steckt den Kopf hinaus und blickt ins Treppenhaus. Dann öffnet sich die andere Tür, er geht hinein, macht das Licht nicht an, geht wieder hinaus, geht wieder hinein, macht das Licht nicht an, macht die Tür zu, macht die Tür wieder auf.

Mein Rezept ist fertig. Wie geht es Ihnen mir geht es gut Dankeschön auf Wiedersehen.

Die Fahrstühltür öffnet sich hingegen von selber: Ich frage den bereits in der Kabine sich befindlichen (Seidenkrawatte und weisses kurzes Haar), ob er nach Oben oder Unten fährt. „Ich will in die Erde“ sagt er, merkt es sogleich, „Also Parterre meine ich, das andere muss noch nicht…“

Die Tür schließt sich.

… „Meine Tochter sagt immer //Papa, wo willst Du denn mal beerdigt werden?//, sag ich, //das ist mir doch egal, verkauf mich an den Abdecker, dann bin ich noch für Seife gut!//“

Ich wünsche ihm jedenfalls noch einen schönen Tag, gehe dann in die Apotheke. [15.3.]

Der Tag…

# … fing am Morgen schon mit zwei Sachen an; Auf dem Bildschirm beim Backwarenverkauf im HBF, zwischen all dem Dreck, den Überbrücken der Wartezeit: „Street Spirit“ von Radiohead. Ich bleibe also stehen, die Laugenstange in der Hand, und schaue es mir bis zum Schluss an.

Dann im Bus, am Weissekreuzplatz (Hinterseite Pavillon) sehe ich einen Schwarm Vögel auffliegen, Tauben, Krähen, durcheinander, denke wie schön, dass in der Stadt so viele leben. Dann am Emmichplatz, die Krähen (Es könnten tatsäch die beiden hier sein): Sie ziehen aus einem Müllkorb ein Stück Plastik nach dem anderen, Brötchentüten, so weiter, haben es im Schnabel, hüpfen auf den Boden damit und schütteln es. Eine findet interessant was die andere liegen lässt und nimmt es auch noch einmal auf.

# Vorhin am späten Morgen auf dem Emmichplatz gesessen und eine Erledigungsliste in den Kalender geschrieben.

# Gestern im Schloss. Wie üblich verirrt. Sie haben im Innenhof ein Gerüst errichtet und die Aufgänge zu den oberen Stockwerken sind gesperrt, so gelangt der Besucher nur noch auf Umwegen in die höheren Etagen. Alles Masquerade. Raum F 307.

# Demnächst ist hier mit einem längeren Text zu meiner Exkursion in die Marktforschung zu rechnen.

# Ich muss nur Zeit finden, ihn zu schreiben.

# Ende.