*** Aufzug und Treppenhaus in der Literatur.

„Als ich an der Haltestelle Russel Sqare zwischen Aufzug und Treppe die Treppe wählte. Am Ende einer langen Wendeltreppe empfahl eine Lautsprecherdurchsage, den Aufzug zu nehmen, da das Treppenhaus einem 15-stöckigen Gebäude entsprach.“

(the butler, London VI)

„Ich wollte eigentlich zum Treppenaufgang und nachhause gehen, stattdessen blieb ich stehen und wartete auf sie. Ich sagte, da sei ich wieder, ich könnte ihr wieder mit dem Koffer helfen. Sie lachte, bedankte sich und sagte, aber hier gibt es ja den Aufzug. Ich sagte: das stimmt. Dann vertschüßten wir uns wieder. Im Abschied warf sie mir die Frage hinterher: bist du Musiker? Ich dachte kurz nach uns sagte: nein. Wir blieben einen Moment lang stillstehen und als der Moment vorbei war, ging sie zum Aufzug und ich zur Treppe.“

(mequito, ohne Titel)

„Dann liefen sie fast, Karl mit ihrer Tasche in der Hand, zur nächsten Station der Untergrundbahn, die Fahrt verging im Nu, als werde der Zug ohne jeden Widerstand nur hingerissen, schon waren sie ihm entstiegen, klapperten, statt auf den Aufzug zu warten, der ihnen zu langsam war, die Stufen hinauf, die großen Plätze, von denen sternförmig die Straßen auseinanderflogen, erschienen und brachten ein Getümmel in den von allen Seiten geradlinig strömenden Verkehr, aber Karl und Therese eilten eng beisammen in die verschiedenen Büros, Waschanstalten, Lagerhäuser und Geschäfte, in denen telephonisch nicht leicht zu besorgende, im übrigen nicht besonders verantwortliche Bestellungen oder Beschwerden auszurichten waren.“

(Franz Kafka, „Der Verschollene“, Seite 73)

Auf der wiederholten Schnurcheljagd

Der Supermarkt liegt gegenüber der alten Wülfeler Brauerei, in der noch während meiner Kindheit eine einheimische Biersorte gebraut wurde. Jetzt stehen ein Burger King und ein Lidl, neben anderen Geschäften, an Stelle derselben und man kann sich nur wundern darüber.

Heute morgen eine schöne ganz zufällige Collage gesehen, die die Herren Schmorlundvon in Auftrag gegeben wohlmöglicherweise. (= Also auf der Schnurcheljagd gewesen am Morgen, wie versproghen.)

Das Haus neben dem Theater am Aegi wurde großflächig abgerissen, ich fuhr heute daran vorbei und musste natürlich gleich an Malte denken und wie er diese Häuser beschrieben hat vor Einhundertundzwei Jahren, denen man ihr Nebenhaus entfernte, die dann ganz alleine dastehen.

Dann ein Stück gegangen, geredet, bis zum See und wieder zurück. So bleibt eine Stunde von dem, was ein Leben hätte sein können.

Anfänge

Nieselregen, der sich als eine feine Schicht (in der U-Bahn erst wird er in das Gewebe einsickern) auf den Wollstoff des Mantels legt, wenn man dann noch in der Tasche ein 2-Cent-Stück hat das (mit den Fingerkuppen fühlt) und etwas Sand vielleicht, am Morgen, an der Bahnstation, (Das neue Jahr begrüßt mich mit Blaulicht und Trompetenschall).

Ich höre die Musik von fernen Städten (Jem’Hadar durch einen ebensolchen Schlauch in die Halsschlagader zugeführt wird, als Belohnung, als Nahrung und Überlebenselexier). Später am Tag sitzen gleich zwei Programmierer vor meinem PC und öffnen eine Shell nach der anderen. In der Mittagspause ist es ein veritabler Regen geworden, aber auch nicht einer der einen stören würde, es regnet halt, da gewöhnt man sich dran im Laufe ~. Ich gehe ein Fischbrötchen kaufen.

Der Supermarkt liegt gegenüber der alten Wülfeler Brauerei, in der noch während meiner Kindheit eine einheimische Biersorte gebraut wurde. Jetzt stehen ein Burger King und ein Lidl, neben anderen Geschäften, an Stelle derselben und man kann sich nur wundern darüber. Immerhin gibt es einen Bäcker im Supermarkt, es gibt einen Fischladen und ein Schreibwarengeschäft, im ersteren Fischbrötchen und im zweitren sogar Briefmarken. Der Supermarkt selber ist eine vollgestellte Fabrikhalle, ich entsinne mich das hier einst ein Allkauf war, dessen Café einem dieser Arbeitseinsätze als Treffpunkt diente, ich kann mich beim besten Willen nicht entsinnen, was für eine Arbeit das gewesen ist und in welchem Jahr sie war, auch die Jahreszeit weiß ich natürlich ebenfalls nicht mehr. Im Radio läuft Uberlin und wenn die Musik einmal im Supermarktradio angelangt ist, so bleibt sie dort auch für immer, da kann sie noch so wundervoll sein. Es hilft nichts. Diese Geschichte endet hier.

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[Dienstag] Wenn der Kollege das Fenster geöffnet hat, kann man von der nahen Bahnstrecke die Güterzüge vorbeifahren hören. Niesel.

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[Mittwoch] Abends. Niesel. Als ich aus dem Krankenhaus komme, laufe ich die Braunstraße hinunter in Richtung Glocksee und breite die Arme aus für einige Meter, den schönen Regen gebührend zu würdigen.

Das Geflecht der Oberleitungen über die Kreuzung am Café Safran. Die drei warmen Brüder werden jetzt in Violettönen angestrahlt, was ihrem Namen nur gerecht werden kann. An der Bushalte macht gerade ein Mädchen mit krausem braunen Haar mit ihrem Handy ein Foto davon, ich bleibe stehen, um ihr nicht in das Bild zu laufen, Sie können ruhig gehen sagt sie, ich ich kann aber auch kurz stehenbleiben. Dann nehme ich den Bus 100 nachhause. In dem riecht es mal ordentlich nach Gras.

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[Dienstag darauf] Mit Sekundenkleber die Sekunden zusammengefügt für eine Stunde, entgegen dem Uhrzeigersinn, tick tack. Im Zementfrack spatzier ich die Straße entlang, mein Name sei Art Vendelay aus Hannover-Döhren, wo die Straßen gerade geführt sind in Richtung zum Fluss. Genäht ist der aus den zu langen Hosen der Kindheit, der Flickenanzug, gesäumt von den vergangenen Vonwegen. Ich schleiche um die Ecken und reibe mich gegen Vorwände aus Papier, die nassgeregnet sind. Am Morgen müdigkeitsinduziertes Fernweh, bestärkt durch das Ansehen eines Lexikon-Eintrags zum Thema Belgien. Schneé.

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Dies sind die ersten Dinge dieses Jahres, das begann mit einer Dehydra im Rückschwung des Pendels, geschlungene Boa um den Janusköpfigen Passagier, der ich war (zusammen mit Dir). Zur Jahresendewende in der Stadt am großen Fluss, jedoch dort nur den U-Bahn-Tunnel und etwas von Eimsbüttel am Abend und am Morgen im strömenden Regen gesehen. Der Mann in dem Café im Hauptbahnhof, der plötzlich am Spielautomaten 240 € gewinnt, er freut sich, kommt sofort ins Erzählen, von den Lotterien und den verschwindend kleinen Chancen, von der Familie und der Arbeit in einer Baufirma, für die er wohl nach Deutschland kam, in einer fernen fernen Zeit, „Guten Rutsch ja Guten Rutsch und viel Glück ja Glück ja ebenso“ [*] Am nächsten Morgen in der U2, die beiden kleinen Mädchen, 11 vielleicht oder jünger, mit ihren kopftuchbedeckten Müttern Tanten großen Schwestern, erzählen was sie gerne werden möchten: „Wenn ich groß bin möchte ich gerne Star werden. Oder Model. Oder Kindergärtnerin“ dies kann ich tun: Unabhängig vom „Jetzt“ ein Es war einmal hier entwerfen, niederschreiben, noch Tagesaktuell weil noch nicht entstanden, weil der Jahreszeiger sich immer noch ganz am Anfang befindet, die ersten zehn Minuten oder eine viertel Stunde, so viel geschehen bereits und schon wieder, siehe hier oben, siehe hier unten, siehe die Ränder dieses randlosen Textes.

An diesem 2. Januar jedenfalls, regnet es immer noch vom Himmel, ich lese in meinem schönen Buch, das im Rucksack von der Reise einen kleinen Riss im Cover bekommen hat, „The Catcher in the Rye“ – (Und dann der schöne Schnee dazu. Ich habe nach Jahren, den Proust eh schon wieder beiseite, den „Fänger im Roggen“ wieder einmal begonnen, weil ich mich erinnerte das mir dieses Buch immer ein gutes Gefühl gegeben hat. Ich habe die Handlung des ganzen schon wieder vollkommen vergessen, aber immerhin liegt es nun auch einmal auf englisch in der Post, seit mehreren Tagen jetzt schon,
weil die Packstation zu voll gewesen ist. Da kann ich es schlecht abholen. Die Post ist eine Behörde mit Behördenöffnungszeiten. Aber vermutlich ist auch die deutsche Fassung die, die mir dabei hilft, mich an Dinge zu Erinnern, die ich nicht selber erlebte.), so jedenfalls schrieb ich in einer Mail im Dezember schon, ich lese und mir gegenüber sitzt ein armer Mann mit einem lieben Hund, ein Rottweiler kann es sein, ich kenne mich da nicht aus, dem er fortwährend Dinge erzählt, dass sie heute mal zur Post müssten (sie auch!) und dann und dann.

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[Freitag] Am Abend ~, nachdem ich im Schwimmbad war und aus dem Becken schön den Schneé hab fallen sehen, draußen vor dem Fenster, sich plötzlich die Nachbarschaft erweitert hat um einen ganz neuen Ort, der schon die ganze Zeit dort gewesen ist, wie aber dadurch das Viertel selbst ein anderes wird, ein wenig immerhin schon wieder (es ist im steten Wandel und bleibt sich gleich), (und wenn ich vor die Tür gehe ist dort immer schon und gleich die Stadt, die Menschen und die Straßenbahn und die Autos auf der breiten Straße und all das große Ganze, sie steigen aus der Bahn und gehen und sie rennen bei rotem Licht über die Ampel und kriegen die Bahn doch noch oder nicht mehr, sie sammeln auch Flaschen in Einkaufswagen und haben Telefone in der Hand auf die sie schauen und beinahe von der Straßenbahn), an diesem Abend trotz der arg vereisten Wege mit dem Rad nach Linden gefahren, an den Runden Tisch gesetzt, entzwei ist die Zahl der anwesenden Gefährten, wir waren einst so viele. Ich hätte das alleine schon nur machen können, so jedoch saßen wir zusätzlich zu der tollen Fahrradfahrt durch die kalte Januarnacht und so weiter dort und hörten der Musik zu und tranken Bier und erzählten uns Geschichten von dem allen. Am Samstag das erste mal auf dem Markt in diesem Jahr, Äpfel und Kartoffeln. Käse und Wurst.

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[Eine Woche später am Abend] und ich schreibe mich hinein in die Gegenwart, dort bin ich nun endlich in diesem Jahr angekommen und ein Fuß im Text und die zwei Hände auf den Tasten, die die Welt bedeuten. Draußen ist der Winter in seiner ganzen prächtigen Kälte vorhanden und die Tage sind angefüllt mit Arbeit und guten Wünschen.

Kurt

Kurt SchwittersVor 101 Jahren und 2 Tagen starb Kurt Schwitters. Ein Computer liest deshalb hier für Sie wie vor zwei Jahren bereits “Anna Blume” und ich fahre morgen mit der 1,2 oder 8 ganz an seinem Grab in der Nähe vorbei [wie an jedem Werktage], jedoch werde ich an der Haltestelle Altenbekener Damm aussteigen (die man auch nehmen könnte für den Weg zum Friedhof an der Engesohde) und Sie werden schon sehen warum ich hoffe es ist noch dort. Heute morgen eine schöne ganz zufällige Collage gesehen, die die Herren Schmorlundvon in Auftrag gegeben wohlmöglicherweise. Dann mache ich ein Foto. Für Kurt. Und für mich. In Digital.

[audio:http://fabe.podspot.de/files/annablume.mp3]