Später lesen

Neulich im Bus, als ich wieder auf dem Telefon die Blogs las, von hier aus ausgehend u. A. hierhin gelangt und dort auch die Links zumindest gemerkt und in „später lesen“ gespeichert, wo sie dann vergessen werden können.

Während ich den Text lese, bellt der kleine Aberaber-Hund immer mal wieder aus Impulsreflex. Als ich den Link zu ARTS OF THE WORKING CLASS sehe, fällt mir der eine Abend anfang Dezember wieder ein. Auf dem Weg nachhause lief ich noch kurz über den Weihnachtsmarkt vor dem Hauptbahnhof, wo mir jemand eine Ausgabe dieser Zeitschrift, die ich immer noch nicht kenne, verkaufte. Während ich nach passendem Geld suchte, kam gleich jemand angelaufen und belehrte den Verkäufer und mich, in Hannover dürfe nur das eine offizielle Straßenmagazin namens Asphalt verkauft werden. Wir sahen unseren Fehler sofort ein und ließen vom Handel ab. Ich nehme mir jetzt ganz fest vor, die Zeitung mal zu lesen.

Nur ein Gefühl

Im Moor steht Wasser. Auch der See hat keine kahlen Stellen mehr, nach über einem Jahr ist er wieder bis zum Rand gefüllt. Es war ein gutes Jahr für den Wald, hier in dieser Gegend, aber das ist nur ein Gefühl.

Heute am Morgen dann auch die „Ballade von den Seeräubern“ im inneren Ohr, die haben wir auch immer gesungen auf Fahrt. Und das Lied von den Moorsoldaten, das ist aber nicht in diesem Moor entstanden. In diesem Moor waren die Sinti interniert.

Am Abend, am Kanal. Ich habe mit dem Rad kurz angehalten, um zu schauen, ob noch Einkaufswünsche ankamen, die ich dann überlesen kann. Ich stehe auf einer kleinen Terrasse, die in den Kanal hineingebaut ist, mit einer Rampe, auf der kleinere Schiffe ins Wasser gebracht werden können.

Die Dunkelheit fällt jetzt wieder schnell herab vom Himmel, eine Bewegung, ein Rattenschatten läuft jenseits des Geländers, auf der Wasserseite, auf dem kleinen Vorsprung, entlang, springt dann ohne zu zögern ins Wasser am Ufer, ich sehe sie noch ein paar Züge schwimmen, dann taucht sie unter. Als wenn das einfach der gewohnte Weg wäre. Sie hatte einen schönen braunen Pelz, die Ratte.

An einem Donnerstagabend gegen halb sechs

An Vier Grenzen hat vor einer Weile ein sog. Wucherpfennig Deli aufgemacht, ein kleiner Supermarkt mit gekühlten einzelnen Flaschen Bier und einem Bäckerladen mit ein paar Tischen unter Sonnenschirmen vor der Tür. Es war vielleicht nicht so geplant, dass sich Monteure in blauen Arbeitshosen und neongelben Jacken ein Bier kaufen und sich dann, zum Schutz vor dem Herbstregen, der in die Abenddämmerung fällt, unter diese Schirme setzen und sich zuprosten, an einem Donnerstagabend gegen halb sechs.

Wenn Nachmittagsunterricht war, sind wir oft zum Wucherpfennig gegangen, um uns eine 5er-Packung Schokoriegel zum Mittagessen zu kaufen, anstatt in der Schulküche zu essen. Das allerdings war kein Deli sondern ein kleiner EDEKA Laden in der Südstadt. Wir saßen dann gegenüber auf einer Vorgartenmauer, was den Hausbewohnern nicht so gut gefiel, erstens, weil wir jung waren und sie alt und zweitens, weil die eine oder andere Schokoriegel-Umverpackung auf ihrem gemähten Rasen landete.

Der Geruch vergehender Zeit

An einem aus der Kindheit wohlbekannten Ort gewesen und Fotos gemacht, hauptsächlich weil ich früh dran war vor dem Friseurtermin. Die Luft roch jetzt nach geröstetem Zucker, wie jedes Jahr im Herbst an einem Tag zum ersten Mal.

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Die Rüben kochen, jedenfalls, es wird früher dunkel.

Das Septemberlicht kommt pünktlich um die Ecke

am späten Morgen fahrt mit dem Rad zum Wertstoffhof. Im Punkladen neben der Bahnstrecke läuft bereits Musik und auf der Terrasse trinkt man eifrig Bier. Verstehe jetzt die Architektur an der Kreuzung Weidendamm/Kopernikus besser. Die spitzen Winkel an drei der vier Ecken mit Hafven, Wohnhaus, Feuerwache und dann der runde Bunkerturm (im Uhrzeigersinn). Auf dem Wertstoffhof — von der Straße aus nicht sichtbar die großen Umspanngeneratoren hinter einem der Häuser. Bei den Elektroaltgeräten harter Trancetechno aus einem Radio.

hinten neben dem motorblock

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gestern, mitsommer, la fête und frisch auf heute gleich zum augenarzt so einigermaßen jedenfalls. unauffällig und weiter. riskiere fünf minuten und laufe noch schnell zum bäckerstand im bahnhof als der bus kommt sind

schon alle kinder drin aber eine weitere klasse oder zwei passen auch noch rein. keine kopfhörer, sie werden wohl am zoo aussteigen, spekulation, und solange sitze ich hinten neben dem motorblock in der vibrierenden wärme und die freude über den ausflug plätschert durch den wagen.

vor mir sitzen die lehrerinnen als der bus hält wissen sie nicht ob sie raus müssen aber die kinder hörten die ansage und sind schon am aussteigen ja hier ist der zoo da geradeaus wir sind vom dorf und kennen uns nicht aus.

fährt der bus wieder durch den grünen wald, drei krähen hüpfen auch ihnen ist warm.

das es sehrinde heißt, schützt sie was darunter ist, da ist auch wasser, und die ringe all der gewesenen jahre.

Die Glockenschläge zweier Kapellen am morgen,

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um 7 Uhr vom Alten Dorf herüber das erste, es hatte geschneit in der Nacht, taut aber schon wieder und in einem Busch gegenüber der Haltestelle, an der man sich einen guten Morgen sagt, hier in der Vorstadt, sind zwei Meisen auf den Schneezweigen und dann kommt der Bus, einer von den ganz neuen, elektrischen, fährt zur Haltestelle Lindener Hafen — dort stehe ich und bin verwundert darüber, hier schon vor 40 Jahren gestanden und auf die Bahn gewartet zu haben, auch an solchen Morgen, wie heute einer ist, der Bus ein lautes, zitterndes und vibrierendes Ungetüm mit rußendem Auspuff, damals, die Schulkinder mit den Ranzen und Rucksäcken, der graue Schneematsch, an der Lagerhalle hängt immer noch ein Schild mit der Aufschrift „Mannesmann“, als wenn nichts gewesen wäre, Morse Signal North die ganze Fahrt über und um 8 in Kirchhorst dann das zweite Schlagen, aus der Richtung, aus der auch das Krähen des Hahns herüberweht, an manchen Tagen.

Schwebende Augenblicke

Die (Chinesen evtl.) stehen mit 3 großen, einem mittelgroßen und einem kleinen Rollkoffer vor der Tür des Nagelstudios, dass sie betreiben, der Laden zwischen dem Tintenpatronenbefüller und der Fahrschule, als ich gegen vier von ein paar Erledigungen zurückkomme. Der kleine Junge sagt einem Freund auf einem Tretroller noch Tschüss, wir fliegen mit dem Flugzeug!. Erst vor kurzem geklebte Plakate an den Säulen fordern auf, leerstehende Wohnungen zu melden und zu besetzen, es wird die Netzadresse für weitere Informationen angegeben. An der nächsten Ecke, etwa, ist ein Ladengeschäft seit mehreren Jahren unvermietet, das eignet sich aber vermutlich nicht so gut für eine stille Besetzung. Zuletzt befand sich die Niederlassung einer Bank in den Räumen, welche nach einem Überfall geschlossen wurde. Ziemliche Räuberpistole, eine der Kassiererinnen erkannte den Täter an der Stimme, ein Freund des Niederlassungsleiters mit extravaganten Hobbies.

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Circa 12, vielleicht 13 °C. Ich mache ein Foto von der Kreuzung, gleich muss ich an den ehemaligen Betreiber des Kiosks an der Ecke denken, der die Ecke fotografieren wollte wie ein bekannter Cornershop-Betreiber in New York, aber das war natürlich noch nicht die ganze Geschichte. Von der Winterreise zurück, wichtige Aufzeichnungen zurückgelassen aus einer Unachtsamkeit. Sonne am Nachmittag, ich fühle mich fremd in diesen warmen Dezembertagen, schwebende Augenblicke, die Stadt hatte ich anders in Erinnerung, zu dieser Zeit. Hat nichts zu bedeuten.

Aber dann ist dort der Geruch des geernteten Feldes, auf dem die Krähen sind, bereits im Juni.

Heute dann also aus Zeitgründen mit dem Bus zur Arbeit. Vor dem Bahnhof steht ein dicker Mann mit den Füßen und Beinen in den Fontainen des direkt aus dem Boden sprudelnden Springbrunnens und telefoniert lautstark.

 

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Eine Woche später, also am 21.7., am Morgen beim Augenarzt gewesen. Sitze danach mit Schokocroissant auf einem der in den Boden eingelassenen Hocker, in einiger Entfernung zu dem Gulli, aus dem die Musik kommt. Von dort leise Jazztöne. Dann kommt ein ganz in schwarz gekleideter Mann mit auch schwarzem Haar und schwarzem Vollbart die Bahnhofstraße hinunter, auch die Augen blitzen rabenschwarz und als er die ersten Töne vernimmt, beginnt sogleich ein etwas merkwürdiger Tanz, etwa wie der Zwerg in einem Traum. Dann wendet er sich auch einige Male mit einer sich selbst präsentierenden Armbewegung, oder zeigt er auf den Gulli und beginnt einige Sätze in einer unbekannten Sprache. Entfernt sich sodann, stampft aber auch noch ein oder zwei Male auf um zwei Krähen, die sich mit einer Chipstüte befassen, zu verscheuchen und erschreckt einen in einem Weißen Poloshirt, der unvorsichtigerweise beim Gehen auf sein Telefon starrt.

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An dem Tag ein Buch über Krähen geschenkt bekommen. An dem Tag „Das flüssige Land“ zu lesen begonnen. An dem Tag war ein einseitiger Artikel in der Zeitung darüber, dass im Groninger Umland große Risse in den Häusern entstehen, weil die Erde infolge des Gasabbaus absackt.