& um auch diesen Text einmal zu beginnen,

fange ich an, ihn zu schreiben. Darum geht es hier: Um das Schreiben von Texten, über das Schreiben von Texten, das Leben einzugravieren ins digitale oder in die Rinde alter Bäume. Manchmal, oft, es ist nicht genau auseinanderzuhalten was wozu gehört, stehen hier auch die Texte die aus diesem Prozeß heraus entstanden sind. Der Anlass ist genauso viel; Dieses stetig weiterwachsende Schriftstück ist nun seit 11 Jahren ununterbrochen im Netz, wobei ich auch die Woche mitzähle, in der ich den Stecker gezogen hatte: Auch dies gehörte dazu, auch die paar Tage (erstaunlich wenige, in Anbetracht), an denen hier abgeschlossen war von Speichervermieterseite aus, in stiller Vorfreude ob der demnächst dann doch bezahlten Rechnung. Auch die Abwesenheit der Zeichen: Sie gehört hier dazu. Es ist fortwährend Live gesendete Literatur. Die Anwesenheit der Stille. Und das laute Getöse. Ich habe in der letzten Zeit mehr und mehr das Gefühl, dass hier etwas entstanden ist, von dem ich nun weiß, was es ist und was es bedeutet — auch wenn ich es weder erklären, noch will. Zuviel gesagt wäre, das es froh macht; weniger traurig.

Leute, die eitel, extrovertiert oder verliebt sind, machen sowas, die schreiben ihre Sachen immer irgendwo hin. Als das Internet zu uns kam, schrieben wir es eben ins Internet.

mequito

Schrieb mek gestern aus Anlass seiner 10jährigen Internet-Vollschreiberei. Da ist sicher was dran. Ich für meinen Teil hab allerdings zu viel Lampenfieber, um mich auf eine Bühne hinzusetzen und meine Texte zu lesen. Auch geht es mir eher ums Schreiben als solches und darum, dass es dann halt irgendwo gelesen werden könnte. Was ich hieran besonders schätze, ist zu machen was ich will. Die Abwesenheit von Genre und ist mir egal, ich lass das jetzt so. Das es kaum jmd. gefällt, das wiederum gefällt mir. Natürlich und das musste ja so kommen. Genau heute vor 11 Jahren fing das hier an, nach einigen Vorversuchen, die nur auf einer Sicherungs-CD zu finden wären. Der erste Eintrag im November 2000, aus einer anderen Zeit. Was dort steht, ist für meinen heutigen Horizont viel zu banal und gleichzeitig privat. Alles hart codiert und in einer merkwürdig eingerahmten Gestaltung, die eine horizontale Leiste oben als Zeitleiste nutzte und neben dem Text einen Rahem als „Bühne“ freihielt, um dort weitere Inhalte per Klick auf Links einzublenden. H y p e r t e x t. Auch ein wenig verspielt, so wurde z.B. erwartet das die Leser verstehen, dass sie die Rahmenbegrenzung nach rechts schieben sollen, um den Blick auf den darunterliegenden Inhakt freizumachen…

Ein Screenshot der die verspielte Gestaltung des NetLog illustriert.

Screenshot vom ersten Eintrag im Synchron-Vorgänger, 14.11.2000


Eine thematische Konstante ist, bei aller Freude an der freien Form, bereits hier zu erkennen: Die Bewegung in der Stadt und in öffentlichem Verkehrsmittel. Von A nach B der Liebe wegen, oder aus noch profaneren Gründen, ob des schnöden Mammons willen, bspw. Wobei ich die Ansicht, dass Arbeit vom Schreiben abhält, nur bedingt teilen kann. Das liegt einmal daran, dass ich das Glück habe, bei meiner Arbeit seit 10 Jahren (auch) immer Texte produzieren zu können. Das hat sich im letzten halben Jahr eher noch intensiviert, so das ich, obschon es sich natürlich oft um werbende oder anleitende Gebrauchsprosa handelt, gewiszermaßen tagaus tagein Texte prozessiere — ich bin eine Schreibmaschine. Am Abend, wenn ich mir von der Müdigkeit und dem Ruf der schwarzen Glotze dann noch ein paar Absätze abringen kann, muss ich nicht erst im Kopf einen Hebel umschalten, ich mache einfach, unter ganz anderen Vorzeichen, weiter. Nur für den in Zukunft evtl. zu schreibenden längeren Text, der die inneren Schubladen mit unsortierten Zettelwirtschaften ausfüllt, wird es schwierig. Möglicherweise.

Gestern ist unser Toaster kaputtgegangen.

Das war ein Winter

   ganz nach meinem Geschmack! Ein wenig zu warm an manchen Tagen. Das Land hat einen ganzen Wald in den Ofen geschoben und einen Kohlenberg noch dazu.

Es schneit ja immer noch! Und da stößt die Flexibilität der kapitalistischen Plansollerfüllung an ihre natürlichen Grenzen, es gibt kein Vogelfutter mehr zu kaufen, ein Saisonartikel, so bekommen die Gefiederten jetzt Papageienfutter gestreut, die ersten bunten Federn wachsen bereits und besonders den Meisen steht es sehr gut an, die kleinen Hirsekörner. Auch unsereiner schräger Vogel steht auf wackligeren Beinen in der kalten Luft und ist es erst langsam überdrüssig, auch wenn ich nun, heute morgen erst, das „Winter Journal“ von Auster zu lesen angefangen habe, in der Bahn zur Arbeit, dem langgezogenen Transit-Schlauch.

Eine Zeichnung von Menschen in der U-Bahn oder in einem anderen Nahverkehrszug

Zeichnung: gunopark.tumblr.com

Die Hälfte liest vielleicht Bücher oder eine Zeitschrift, oder 1/3 möglicherweise. Ein weiteres Drittel tatscht auf den Bildschirmen der Devices rum und macht ein blödes Gesicht wohlmöglich noch dazu. Leute, die Ihr Telefon Smarty nennen. Ein Mann spricht mit einem Freund über irgendwo herausgeholte Leichenteile, darüber wie er jetzt arbeitet und wo und schließlich das man sich wieder sehen könnte, demnächst einmal, in dieser Reihenfolge und ohne nennenswerte Nuancierung in der Stimmlage, es ist alles dasselbe für ihn an diesem Morgen. Mir kommt in den Sinn, wie Bildagenturen ihre Werke neutral und dennoch emotional beladen zu beschreiben versuchen, ich denke an Happy Caucasian Couple Enjoying Dream Vacation. Später am Tag dann, das Aushandeln der AGB mit den Schusterjungen und den Hurenkindern.

***

Am Morgen beim Systembäcker an der Ecke stehen Handwerker und unterhalten sich über rücksichtslose Politiker-Konvois im Straßenverkehr, //damals, da war Albrecht noch Ministerpräsident, mit drei Limos waren die da unterwegs, als würde die Straße ihnen gehören sachichdir//.

Neuer Leitspruch oben auf dieser Seite:
Die Zeit aus den Fugen zu schreiben.

WÄREND ich sie nämlich über die Rücksichtslosigkeit der Politiker reden höre (und beim Empfang zur großen Messe wird, so ist der Einladung zu entnehmen, wie in jedem Jahr im Kongresszentrum auch ein Fahrerimbiss angeboten, dass alleine genügte schon) fällt mein Blick auf die Schlagziele der heutigen Presse: „Rambo-Raub“ schreibt sie, denn in das Schaufenster des Uhrenladens, in dem ich an einem verregneten Sonntagnachmittag um ¼ vor 3 die Uhren photographierte, die hier als ein wiedererkennbares Zeichen ausgestellt sind, ist – so ist dem Foto zu entnehmen – ein VW-Bus hineingefahren, so wurde der Laden beraubt. So gelangen meine Gedanken, ohne dass ich mich weiter mit dieser Frevelei befasse, zu dem Spaziergang an diesem Sonntagnachmittag, Jahre schon entfernt, und hierhin, und zur Zeit zurück, deshalb.

A room is still a room, even if it smells funny

Als ich von der Straßenbahn-Haltestelle zur Arbeit gehe, fährt durch den Regen hindurch ein LKW die lange Brückenrampe hinunter mit Gischt, aus Helsingborg grüsst die Plane.

Und in den langen Zügen, die aus drei Wagen bestehen, fahre ich morgens zu meiner Arbeitsstelle durch die ½ Stadt und am Abend zurück. Wie eigentümlich das Grau der Tunnelwände ist, es ist kein Ruß, es sieht aus wie solcher, es könnten Gummipartikel sein oder abgelagerter Feinstaub, also doch Ruß, der durch die offenen Eingänge der Stationen von der Stadt hereinweht, zusammen mit den Tauben. Wie lange meine Augen meine Blicke nun schon über diese Wände gleiten, über die Kabelstränge, die sich parallel zu den Gleisen an ihnen entlangziehen und wie meine Augen meine Blicke an manchen Tagen auch ganz aufgerauht sind, abgerieben, vom hinausschauen in das Tunneldunkel, hier und da ein vorbeiziehender Zug in dieselbe Richtung, der sich in einer eleganten geraden Kurve nach links oben oder rechts unten verabschiedet – neulich, als wir im Theater waren, wurde mir berichtet, ich wäre von einer solchen nebenherfahrenden Bahn aus gesehen worden, die Richtung war aber nicht mehr zu erinnern, die Bewegung und die Tageszeit.

Über vergessene Milch soll man nicht jammern

Als ich den Weg über die Brücke gemacht habe, gestern, kurz verstanden wie das ist mit dem Wollen, dem Nichts-Wollen und dem nicht wollen und wie sich das zur Ewigkeit verhält, dann sofort wieder vergessen, aber es ist alles ein wenig besser jetzt. Die Straße weitergegangen zu den Häusern, das Hotel an der Ecke, ein wenig ferner das Pagodendach, hinter Bäumen und einem Industriebetrieb gelegen. Ich bin diese Straße oft gegangen, habe einmal hier in der Nähe arbeiten müssen, dazu gibt es auch eine Geschichte. Das ist sehr lange her und damals ist es mir nicht so aufgefallen, in welch einer Gegend der Stadt, die in großen Teilen von einer so berückenden Profanität ist, wir uns hier befinden. Am Mittag sehe ich im grauen Mittelfeld einen Mann auf Fahrrad, mit einem über den Kopf beladenen Anhänger, der ist bestückt mit einem Lampenschirmgestell, einem Vogelkäfig und ähnlich filigranen Metalldingen. Das frisch geschnittene Gesträuch steigt mir in die Nase, alles Erinnerung an die Zeit, welche blos. Das Ende der Straße liegt im Dunst und jeder zweite Laden sagt mir Toto Lotto. Am Nachmittag, zurück im Bureau, kurz dem Charme des ß erlegen. Gestern in der Nacht geträumt, ich würde in eine Zeitungsdruckerei schauen, die Laufbänder an denen die Zeitungen hängen und auf denen sie liegen, die Konfektioniermaschinen mit den von unten belüfteten Rollflächen, kleine Kugellager die durch Luftdruck nach oben gedrückt werden, dass alles kenne ich ja ebenfalls von einer anderen, früheren Arbeit, jetzt im Traum erwschien mit diese wie nur erträumt, so lange her ist es schon, diese Druckerei jedenfalls war sehr verrostet und nicht mehr in Betrieb, so weit ist es schon mit dem Zeitungssterben, ich wollte ein Foto machen, um es bei Rost hochzuladen, hatte jedoch die Kamera nicht dabei (häufig schon, im Traum, Fotos angefertigt und dann, manchmal noch während des Traumes, manchmal wenn wieder wach, ein wenig Traurigkeit das ich sie nicht auf der Speicherkarte finden würde). Ich blicke also aus dem Fenster, während über mir der große elektrische Rechenschieber immer mehr noch speichert, ich sehe wie die Gebäude so sind, mit ihren teergepappten Bedachungen und den Schornsteinen, den kleinen, aus denen sie weißen Dampf heizen in die noch kalten Himmel Ende Februar, die den Zügen zuwinken, gleich zwei Luftsprünge weiter, die hier vorbeifahren von der Stadt und zu der Stadt, (Und die Bahngleise, an denen ich langlief, der ICE mit dem Graffitti darauf, der das Zeichen durch das Land fährt, das Zeichen einer Anonyma, und leider ist die Industrie nicht mehr vorhanden und im Eisenwerk kein Eisen mehr,) denke ich an diese Zeile, 1998 ca., Der Zug, der Silber und Rot durch die graue Stadt fährt, wie ein Vorzeichen der Jahrtausendwende, dem Fluße hinzu fliegt aber der Kranich mit weiten Schwingen und langem Hals.