Aus den Briefen – 14 –

 

Letzte Nacht habe ich geträumt, neben anderen Dingen, dass ich in einem Dönerladen einen Döner Vladimir gekauft hätte, Special Edition für V. Klitschko. In einem der ersten Träume, in denen die Pandemie eine Rolle spielte, gab es auch einen Döner-außer-Haus-Verkauf. Es sind die letzten kalten Wintermorgen, und auf dem Küchentisch stehen die ersten Tulpen vom Markt.

 

 

 

Aus den Briefen – 13 –

Der Zustand der Welt wird immer schlimmer und macht mir Sorgen. Die anhaltende Pandemie ist dabei eigentlich das kleinste Übel. Das geht vorbei, da bin ich mir ziemlich sicher. Davon abgesehen ist es weiter viel Aufräumen und Putzen, aber an den Wochenenden gibt es Wein und Musik in der Küche. Habe zwar den Türbeschlag noch nicht gefunden, aber es geht voran, klein und klein. Gleich fahren wir mit den Rädern an den Kanal und nächste Woche sieht es damit auch gut aus, erstmal keine Stürme.

Morgen, vermutlich, kommt der Kalender für das nächste Jahr.

Nach zwei oder drei Tagen mit etwas Frost ist das Wetter nun wieder warm. Das Akkordeon: „Sous le Ciel de Paris“. In Schleiern weht Niesel über den Marktplatz. Als wir in einer Schlange um Gemüse anstehen, erkenne ich zu spät C. vom Theater, winke noch kurz und verzagt, da geht er schon. Ich hatte ja auch die Maske auf. Am Nachmittag einige Bohrlöcher zugegipst, immer ist zu viel Gips angerührt.

Kurz knistert und glitzert

Die aufgeschnittene Zwiebel (wer wollte sie umständlich häuten?) kann auf dem Brettchen in der Küche liegen, neben einem Stück Zitrone. Im Radio ein schwerer Dub aus Hamburg.

Manchmal Mord und Totschlag in den Träumen, manchmal unbekannte Gegenden in der Stadt, die bunten Häuser an der Hildesheimer bspw., mit dem Fahrrad in die Rabatten beim »Alten Haus Lans«.

Heute spielte der Akkordeonspieler auf dem Wochenmarkt „Que séra“ und letztes Mal „La Vie en rose“. Heute spielte ein Gi tarrespieler auf dem Wochenmarkt „Streets of London“.

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Unrasierte Tage, blasser Schimmer. Sprich nicht in Zungen von der Liebe. Wickel stattdessen den Fisch von gestern ein in die Zeitung von morgen. Kurz knistert und glitzert die Stadt auch in Zeiten von Pandemie und Lockdown, in denen nichts passierte, außer die Schiffe den Kanal und die Tomaten im Tetra Pak.

Ein Tatsachenbericht

aus dem Mai des Jahres,
herbeitelegraphiert mit
dem Telefon aus Blech
dose und Bindfaden:

Sternschnuppen, Satelliten,
nur am Abend Katharsis
maschine, Lack und Blumen
draht. Taschen voller Zellstoff,
Murmeln die Knochenaugen
Schwarz auf Weiß ins Ohr.

Sitze am Schreibtisch und
sieh den Fingernägeln beim
Wachsen zu. Entschuldigung
das ich Ihnen auf den Gold
zahn fühlen musste.

Schiffnamen (4)

2.11., morgens: Eider, Tara, Bizon-82, Mississippi
3.11., morgens: Charon, Bienenbüttel(?)
5.11., morgens: Lijia(?), Saturnus, Arcturus, Meggy
6.11., Nachmittag: Stadt Lindenfels

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Es ist jetzt dunkel abends, die Namen sind nicht zu erkennen. Viele Schiffe haben Licht auf Deck. Am Kanal gibt es keine Straßenlaternen. Viele dieser neuen Radbeleuchtungen sind zu hell.
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11.11., morgens: Lagda(?), Polaris, abends: Tara, angetäut am Listholze.
12.11., morgens: Ikaros (überholt), Tom Burmester (von Ost nach West), Laura am Listholze. Abends: Athena (am Listholze festgemacht).

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Fahrradfahren am Morgen und am Abend. Dann riecht es von den Schrebergärten auch nach Feuer im Ofen, am Abend vom Wagenplatz nach Möbellack im Feuer, oder Spanplatte, vielleicht, vom kalten Wind die Tränen.
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Heute am Abend die Gänse auf dem Feld mit der Wintersaat, die gerade aufkeimt. Athena liegt vor der Brücke am Listholze, aus der tschechischen Republik, in der Kombüse steht ein Topf mit Erbsensuppe auf dem Herd, der Duft von Erbsensuppe und Speck liegt in der Abenddämmerung. Überall sind die anderen Leben.
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13.11., morgens: Amber

19.11.: BM-5241, Heinrich
20.11.: Pollux, Stanley

26.11., morgens: Labe 15, Annegret. Abends Oberon (angetäut am Listholze)
27.11., morgens: Oberon (angetäut am Listholze). Abends: Fossa (von West nach Ost), Oliwia (angetäut am Listholze)

30.11., Muflon-65

Zu der Suchanfrage „Herrndorfstraße“ wurde in Google Maps nichts gefunden

Nachdem ich in der vorletzten Nacht, im Traum, wieder unverhofften Besuch bekommen hatte, dann gestern Nacht an einem mir noch unbekannten Ort der Stadt gewesen mit ganz wunderbaren und erstaunlichen Gebäuden, deren geschwungene Ziegeldächer speckig und rotbraun in der Sonne glänzen. Dorthin gelangt auf einer bis dahin unbekannten Bahnstrecke, auf welcher die Bahn eine erstaunlich sehr steile Abfahrt von einer Brücke nimmt. Ich mache eine Bemerkung zu der Straßenbahn-Fahrerin, irgendetwas mit Achterbahn. Ich habe mein Fahrrad dabei und steige an der Station Herrndorfstraße aus und sehe gleich das schöne Haus, dessen Dach ein wenig an einen Reptilienrücken erinnert, ein Gürteltier, vielleicht. Ich gelange in eine düstere und mit Staubfangtüchern verhangene Straße, in der mir gleich ein in Lumpen gekleideter und mit wirren Worten sprechender Mensch entgegenkommt, sodass ich gleich umkehre. Bemerke, wieviele Touristen in dieser Gegend sind und überlege, was die wohl in der Stadt machen mögen, jetzt, da doch alles geschlossen ist. Ein Dönerladen verkauft immerhin etwas zu Essen durch ein geöffnetes Fenster. Auf einem an einer Straßenecke stehenden Stadtplan steht folgerichtig „Nova Zona Touristica“, um diese Gegend zu bezeichnen. Es wird trotz des Ausnahmezustands einiges geboten, Straßenbahnen, die ich aus Kindheitstagen kenne, kutschieren die Besucher durch die Gegend. Ich kann mir gerade noch den Namen der Straßenbahnstation merken, denn ich habe vor, hier noch einmal herzukommen und dann den Fotoapparat mitzunehmen. Dann [aufgew.], froh über die schönen Bilder, die ich am letzten Rest der Nacht noch mir ausdenken konnte. Ich hatte tatsächlich den Wecker auf 7 Uhr vorgestellt, zuvor, fühlte mich dann in dieser Entscheidung zusätzlich bestätigt.

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Ich fahre ja z. Zt. aufgrund des Bestrebens, möglichst vielen Menschen möglichst weiträumig aus dem Weg zu gehen, mit dem Fahrrad zur Arbeit. Das Rad müsste zum Schrauber, denn im Kugellager hat sich offenbar ein kleiner Schwarm mechanischer Spatzen niedergelassen, die mein Treten mit rhythmischem Spatzengezwitscher begleiten. Mein Arbeitsweg führt mich jeden Morgen und jeden Abend durch das Moor. Es ist bereiter denn je, sich das Land wiederzuholen. Schon lassen sich die Gänse auf dem Fußweg am See nieder.

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Schalttag

Ein Zaudern, und die Blumen, im Schaufenster
der Änderungsschneiderei. Verständnis für
die goldene Zukunft : Die Gänseblume

weht im warmen Februarwind, ein Fetzen
Wirklichkeit, herangeschlichen aus fernen,
uralten, traurigen Tagen. Bild könnte

enthalten Himmel, Baum und im Freien, ein
leises Verweilen zwischen Signal und Rauschen,
Schwebstoffe, die nicht in Lösung gehen.