10 vor Acht aus dem Haus.

Wieder Regen, an der Ampel an der Kreuzung steht der Flixbus nach Rotterdam, wie ein unsicheres Versprechen. Zusätzlich niederländisches Radio, als ich selbst im Bus sitze, allerdings nach Kirchhorst. Bericht zu einem Anschlag auf einen Politiker in Korea, Bericht zu Robotertaxis in Amsterdam (noch zu unsicher).

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Am Abend an der Noltemeyerbrücke schiebe ich mich an einer Frau und drei Kindern in Gummistiefeln vorbei, um die Bahn noch zu bekommen. Es ist die Linie 13 und die Frau sagt „da kommt die böse 13“. Das erste Mal mit der Linie 13 gefahren.

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Im Bus dann telefoniert eine in einer afrikanischen Sprache, vielleicht auch ein englischer Dialekt, den ich nicht verstehe. Ich höre die Worte Doctor, 8’o’clock und Kofi Annan. Worum ging es in diesem Telefonat?

An einem Donnerstagabend gegen halb sechs

An Vier Grenzen hat vor einer Weile ein sog. Wucherpfennig Deli aufgemacht, ein kleiner Supermarkt mit gekühlten einzelnen Flaschen Bier und einem Bäckerladen mit ein paar Tischen unter Sonnenschirmen vor der Tür. Es war vielleicht nicht so geplant, dass sich Monteure in blauen Arbeitshosen und neongelben Jacken ein Bier kaufen und sich dann, zum Schutz vor dem Herbstregen, der in die Abenddämmerung fällt, unter diese Schirme setzen und sich zuprosten, an einem Donnerstagabend gegen halb sechs.

Wenn Nachmittagsunterricht war, sind wir oft zum Wucherpfennig gegangen, um uns eine 5er-Packung Schokoriegel zum Mittagessen zu kaufen, anstatt in der Schulküche zu essen. Das allerdings war kein Deli sondern ein kleiner EDEKA Laden in der Südstadt. Wir saßen dann gegenüber auf einer Vorgartenmauer, was den Hausbewohnern nicht so gut gefiel, erstens, weil wir jung waren und sie alt und zweitens, weil die eine oder andere Schokoriegel-Umverpackung auf ihrem gemähten Rasen landete.

als dann der regen endlich fiel,

  beobachte ich einen menschen an der haltestelle paracelsusweg, in einem roséfarbenen kurzarmhemd, der nicht unter das dach des wartehäuschen sich stellt, sondern nur den regen fallen lässt. er hat einen weißen kopfhörer auf und hört gerade das lied genua von gustav und das klopfen der tropfen mischt sich unter die musik. später sitzt er in der bahn und tippt auf dem telefon, die lesebrille ist nicht geputzt und dicke tropfen fallen von den gläsern herab weiter auf das nasse hemd.

Morgen, vermutlich, kommt der Kalender für das nächste Jahr.

Nach zwei oder drei Tagen mit etwas Frost ist das Wetter nun wieder warm. Das Akkordeon: „Sous le Ciel de Paris“. In Schleiern weht Niesel über den Marktplatz. Als wir in einer Schlange um Gemüse anstehen, erkenne ich zu spät C. vom Theater, winke noch kurz und verzagt, da geht er schon. Ich hatte ja auch die Maske auf. Am Nachmittag einige Bohrlöcher zugegipst, immer ist zu viel Gips angerührt.

Jetzt der traurige Regen

Auf Umwegen zur Arbeit und am Abend zurück. Aus dem Busfenster schauen, die Gegend interessant aber vollkommen hoffnungslos. An einem Laternenpfahl hängt ein Plakat auf dem wird ein vermisster Hund oder eine Katze gesucht, die Fenster sind beschlagen. Verloren gehen Kinder durch den nassen Schnee, in der Schule vielleicht war eine Faschingsfeier mit Abstand. Schöne Namen der Straßen wie Luise-Blume-Straße, Tempelhofweg

Erzählt eine Frau im Pelzmantel einer anderen alles mögliche auf Russisch. Die Kaserne ist in großen Teilen abgerissen, da wird jetzt etwas anderes gebaut. Erinnerung wie ich hier falsch hingefahren bin, den Musterungsbefehl in der Jackentasche, die Wache gefragt habe, die erzählte ich müsste ganz woanders sein, fest davon überzeugt, die Musterung findet in der Kaserne statt und dies war die Kaserne, die ich kannte. Die hätten viel zu tun gehabt mit mir in der Armee

„Was habt ihr mit dem Feuerlöscher!“ der Bahnfahrer öffnet die Tür zum Abteil und die Jungen versuchen noch was „Was mit dem Feuerlöscher ist!“ sagt er jetzt da sind sie raus aus dem Wagen, dann pafft er seinen Dampf aus der zum Bahnsteig geöffneten Kabinentür. Zehlendorfweg, Vahrenheider Markt

Wenn es den Mond nicht geben würde

Durch eine direkt über dem Boden beginnende Regenwolke zur Arbeit gefahren mit dem Rad, am Morgen. Feinster Niesel. Die Schafe hat es nicht interressiert. In der Mittagspause die folgenden Sätze von einem der Nachbartische in der Kantine (es geht in dem Gespräch um den Sinn des Lebens, was Leben eigentlich ist (als Beispiel für einen Grenzbereich werden Ameisen genannt), Astrophysik, wie alles zusammenhängt und so weiter): denn „Alleine wenn es den Mond nicht geben würde, was dann mit der Erde wäre“ und „wir auf der Erde haben ja das Problem, dass wir die Lichtgeschwindigkeit haben“.

Allerdings.

Podbielskistraße 137

Am Abend an der Pelikanstraße ausgestiegen. Es riecht sehr schön nach frisch gebackenem Brot. Ein junger Mann spricht mich an, als ich, mit dem Handy in der Hand, mein Leih-Fahrrad bereits auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckt hatte. Ob ich ihm sagen kann, wo die Podbielskistraße 137 wäre (er sagt wirklich ‚Podbielskistraße‘). Ich sage ihm, das wir auf der Podbi sind und die 137 wohl irgendwo sein müsste. Wir stehen direkt vor der 138. Gegenüber sehen wir die 135 und die 139. Keine Spur von der 137. Muss mich direkt entschuldigen, aus Höflichkeit, gewissermaßen. Dann die Straße überqueren, noch einmal auf die Hausnummern schauen. In der 139 viele Kanzleien usw. Den Sattel höher stellen. Fahre durch den schönen, feinen, grauen Niesel auf dem Rad nachhause. Der Nebeneingang einer Turnhalle ist offen, ich sehe einen lederbespannten Bock und einen, der gerade einen Basketball über den Turnhallenboden prellt. Das dauert nur eine halbe Sekunde und erinnert mich. Woran?

Die Mauersegler sowieso

Die Pandemie ist in den Träumen schon seit einer ganzen Zeit — heute am Morgen bspw. im Traum darüber beschwert, dass in einem Café Name und Telefonnumnmer nicht notiert werden.

Das Fenster zum Hinterhof ist geöffnet. Irgendwo findet wohl eine Party statt, ein leiser Duft von Shisha-Tabak weht durch die späte Dämmerung. Auf dem Kranausleger des Krans, der gegenüber an der großen Straße an der Baustelle neben dem Hotel steht, sammeln sich die Krähen, wie an jedem Abend, und krächzen sich zu, wo sie eine tote Kuh haben liegen sehen. Eine Elster. Ein Kind schreit. Dann ein Hubschrauber. Die Mauersegler sowieso. Später wird sich eine Nachbarin beschweren, aus dem geöffneten Fenster heraus.

Jetzt ist der angekündigte Regen da, aber nur ein kurzer Schauer, vielleicht.

Getarnt als nasser Hund,

 
wiederum regenbedingt, hatte ich mich am Samstag an einen noch unbekannten Ort bewegt auf dem scheppernden Rad und zwar, um ein Koncert der Formation WNU zu hören. In einem Hinterhof in einem sehr nahe an der Innenstadt gelegenen Industriegebiet, in dem naturgemäß die Umsätze in ihrem Wachstum mit dem der Nachtschattengewächse im Wettberwerb stehen, und wie sollte es auch anders sein. Der Regen, der seit Tagen ergiebig auf die Stadt herunterkam, hatte mich fast zur Umkehr bewogen, allerdings dauerte die Fahrt 1.) nur ungefähr 10 Minuten und 2.) hatte ich ⅓ der Musiker mein Kommen versprochen, und am Ende war es dann nicht weiter schlimm.

WNU sind Wilson Novitzki (Gitarre), Nils Schumacher (E-Bass) und Uli Hoffmann (Schlagzeug)

Denn da saß also ich als der nasse Hund und hörte zu, wie man sich schöne Songtitel ausdachte (»Nacht der Algorithmen«) und noch schönere Komplexitäten zusammenimprovisierte, sodass das Denken verwinkelter Zusammenhänge, zumindest für die Dauer des Koncerts, eingestellt werden konnte. Projektionsflächen aus Tönen zogen sich durch den Raum, der ansonsten voller Bilder war, die jedoch nicht alle zu hängen gekommen waren, sondern in an die Wand gelehnten Stapeln standen. Ein Plakat kündigte einen Maskenball direkt nach Beginn der Fastenzeit an. Es war natürlich viel lauter, als die Stücke auf der Soundcloud-Seite sich anhören. Zwischendurch, beim zuhören, tatsächlich für einige Momente aus der Zeit gefallen, was ja immer besonders schön ist. Häufig.

Hier noch ein kurzes Video der Formation von einem Auftritt in Berlin

Sturm

Der stürmische Morgen jagt die Regenböen das du meinst nach nassem Hund zu riechen in der Kapuzenjacke.

Vollgesogen wie ein Schwamm hat sich die Luft mit Regen
und der Gesang leerer Bierflaschen vom Balkon im Erdgeschoss kommt noch dazu.

Wolken ziehen auch wie im Zeitraffer vorbei. Weil Sturm und Abholtag in der Gegend zusammen kamen, liegt überall nasser Müll auf den Gehwegen. Am Morgen, an der Kreuzung, fahren Autos über auf der Straße verstreute, leere Weichspülerflaschen.

Sonst war nicht viel. Nur die Venus, am Abend, im nachtblauen Himmel, sie scheint so hell.