Aus den Briefen – 25 –

Das Bild kann nicht hinlänglich beschrieben werdenheute nacht war ich schon bei der kunst, im traum, das wäre also erledigt für das wochenende. ich war auf dem weg zu meiner oma, die allerdings jahrgang 1918 war und lange nicht mehr lebt. an der bushaltestelle sah ich gegenüber der straße, dass dort skulpturen ausgestellt waren. kurzentschlossen bin ich also dorthin gelaufen. einer der organisatoren stand an einem tapeziertisch davor, ich fragte ihn, ob man schon hinein dürfte, er sagte grinsend natürlich nicht und ich das ich es trotzdem versuche. um hineinzukommen musste man durch ein labyrinth aus behauenen steinwänden, was aber problemlos gelang. ich erinnere dann wenig, es gab riesige skulpturen, etwa einen maulwurf oder vielleicht auch eine schwarze katze. der ort wurde im verlauf immer größer und unübersichtlicher. es gab soetwas wie tribünen, die mit menschen gefüllt waren. von einer stelle aus wollte ich ein foto machen, aber es war ein vorsprung, so ähnlich wie die plattform eines sprungturms, ohne geländer und es wackelte außerdem bedenklich, sodass ich es lieber bleiben ließ. ein kleiner berg, um den in der spirale ein feuerwehrauto fuhr, wie man es als hässliches dekorationsstück, nur dann statt feuerwehr ein zug, kennt. das entwickelte sich dann so, dass ein feuerwehrmann auf einem kleinen balkon stehend, von dem feuerwehrauto aus mit wasser aus dem schlauch in bedrängnis gebracht wurde, sich aber um eine hausecke flüchten konnte und auch einen regenschirm aufspannte. bei einer anderen sache fuhr jemand auf dem ausleger eines autokrans schlitten. ich wollte ein foto machen und das handy war ganz merkwürdig, das hätte mich misstrauisch machen können. dann aber wegen irgendetwas [aufgew.], es war alles sehr verwirrend. [6.9.25]

Morgenstund

Aufgrund Abendverabredung heute zur Arbeit mit dem Bus. Vor dem Bahnhof muss der Regenbogen mal geputzt werden. Ein Mensch ohne Hemd hat Probleme mit der Schulter, offensichtlich, und dann ist da noch die Sache mit dem fehlenden Hemd. Ein anderer möchte Geld, er hat bei niemandem Erfolg. Ein wenig eine Jesusgestalt, aber mit Drogen. An anderer Stelle, aber nicht weit entfernt, kreist schon oder noch der Tetrapack mit dem Weißwein, die große Packung (1,5 l). Ich glaube der Hemdlose gehört dazu. [15.7.25]

wo die blumen sind

räume auf und schmeiße tatsächlich auch bücher weg. draußen dazu sommerregen, drinnen horizons of suspended zones von haarvöl. gorbatschows perestroika ist auch dabei, hatte es mir zu weihnachten gewünscht und nie gelesen. jetzt ist es zu spät dafür. scheine ziemlich viel von laurens van der post gelesen zu haben. sehr wenig erinnerung daran. die kommen aber in den bücherschrank. handschriftliche aufzeichnungen in den reißwolf, ich kann den heute nicht mehr leiden, der damals geschrieben hat.

teilweise bücher von der großmutter dabei, die ich aber behalte. sie scheint rilke gemocht zu haben. zwischen den buchseiten jahrzehntealte gepresste blütenblätter. [27.7.25]

Der Mittellandkanal an der Noltemeyerbrücke, aus dem fahrenden Bus fotografiert

Die Roboterstimme an der Bushaltestelle, wenn man auf den Infoknopf drückt, spricht den »Altenbekener Damm« falsch aus. Sie spricht ein kurzes E wie in Becken und sollte doch ein langes E wie in Theke sprechen. Die Ortschaft, zu der der Damm einst mutmaßlich führte (oder in deren Richtung zumindest lag), heißt ja auch nicht Altenbecken sondern Altenbeken und liegt ansonsten in der Nähe von Paderborn. Glaube nicht, dass dort ein Damm hinführte von der hannoverschen Südstadt aus, aber heute die S5 vom Flughafen über Hbf, sodass es eine direkte Verbindung gibt von Paderborn zum Flughafen Hannover.

Die Haltestelle, an der ich zu Schulzeiten Ausstieg, war genau der Endpunkt des hier falsch angesagten Busses, die Linie gab es damals noch nicht. Eine Brauerei ist auch dort, seit 1546, möglicherweise zwischendurch auch an anderer Stelle, ständig lag der Hopfengeruch in der Luft, wenn wir aus dem U-Bahn-Tunnel kamen und zur Schule gingen. Daher vermutlich die Vorliebe für Bier.

Der Mittellandkanal an der Noltemeyerbrücke, aus dem fahrenden Bus fotografiertPosteingang. Eine lockere Decke grauer Wolken hängt vor der Sonne und schimmert in metallischen Grautönen. Auf dem Kanal ein Schiff.

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Der Mittellandkanal an der Noltemeyerbrücke, aus dem fahrenden Bus fotografiert. Gerade fährt ein Schiff auf dem Kanal. [22.8.25]

Schiffnamen 19

Die Krähen versuchen sich unauffällig zu verhalten, ich aber weiß, sie haben einen Plan. Zu dritt sitzen sie auf der Lehne einer Bank, die am Kanal steht. Auf dem Weg sehe ich noch eine weitere Gruppe von dreien, auf dem Schachfeld am Badeplatz sind zwei von ihnen. Wir werden sehen, was passiert.

Heute morgen Schiffe gesehen, die ich noch nicht kenne — Calbe, Mirae, Marlou, Imago. Das erste überholt, die anderen drei entgegenkommend. Es ist nicht leicht, sich die Schiffnamen zu merken, so sage ich sie wie ein Mantra vor mir her, auf dem Fahrrad durch den trüben warmen Morgen radelnd. [25.7.25]

Als dunkel erinnertes Gemurmel jenseits von kommt es uns zu Gehör, das Rauschen in den Muscheln, was nach Meer klingt und doch nur dein eigenes Blut ist, das dir in den Ohren saust. Prompt: Eine Wellhornschnecke liegt an einem Strand an der Nordsee im in der Sonne glitzernden Wasser eines seichten Prils. Foto. Die Zeitungen berichten über entlaufene Alligatoren und erschossene Welse, es muss also Sommer sein. Auch regnet es immerzu. Wir sehen uns später am Kai, wenn wir einen finden in unserer kleinen Stadt, den Schiffen zu winken mit weißen Taschentüchern. Sonst am Kanal. Die Jungen springen von überall ins Wasser von wo sie können.

Aber von den Krähen steht nichts in der Zeitung.

Aus den Briefen – 24 –

Es war schön dort. Ich habe meinen Ausweis verloren und auf dem Weg, ihn wieder zu finden, sind wir an einem toten Schwan vorbeigelaufen, dessen Körper schon fast ganz von Maden bedeckt war. Ein einziges Gewimmel. Ich weis nicht, ob wir den Ausweis wiedergefunden haben, aber ich bin zurückgekommen. Jeden Abend im Lager wurde aus „So zärtlich war Suleyken“ gelesen. Wir hatten ein kleines Segelboot, auf dem das meiste Gepäck transportiert wurde. Sind dann noch nach Gdansk weitergereist. Menschen verkauften Buttons mit dem Slogan ‚Better dead than red‘. Von anderen Menschen habe ich einen Solidarnosc-Aufkleber gekauft und dann, zurück zu Hause, meine Eltern genötigt, den auf das Auto zu kleben, was sie auch bereitwillig getan haben. In Gdansk außerdem Softeis aus einer Maschine gegessen, die sehr alt war, und dann eine Salmonellenvergiftung gehabt. Keine Erinnerungen an die Heimreise.

Aus den Briefen – 23.2 –

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Mit großer Freude habe ich Springweg brennt gelesen, insbesondere auch deshalb, weil wir erst kurz davor in U. waren, wie Du ja weißt. An das Hotel wo früher das Duitse Huis war und den Mariaplaats kann ich mich sehr gut erinnern. Ich hatte aber auch das Gefühl, die Menschen, die Du beschreibst, ein wenig zu kennen, von früher, aus einem anderen Leben, vielleicht. Die Art von Menschen. Diese Leute, die einfach in keine Schublade passen. Beim Bürgerradio hier in meiner Stadt habe ich ein paar davon kennengelernt, aber auch anderswo, auf dem Weg. Auch die Sache mit den Gespenstern kann ich gut verstehen. Hier auf meinem Arbeitsweg wurde ja kürzlich ein gruseliges Haus im Moor neben der Müllkippe von Punks bezogen, da musste ich auch an alte und neue Dämonen denklen. ich schrieb einen kurzen Text darüber. Ich glaube aber, sie sind nicht mehr dort, obschon der Bauwagen immer noch auf dem Grundstück steht.

[Markus Pfeifer (besser bekannt als mequito): Springweg brennt — edition schelf, 2025]

1.050 km

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(Heute, am Morgen des 4.6.2025, roch es das erste Mal nach Sommer in diesem Jahr. Regen fällt bisweilen nur aus den Bäumen, dicke, schwere Tropfen, die noch von der Nacht in den Blättern hängen und die der Wind jetzt abschüttelt.)