10 vor Acht aus dem Haus.

Wieder Regen, an der Ampel an der Kreuzung steht der Flixbus nach Rotterdam, wie ein unsicheres Versprechen. Zusätzlich niederländisches Radio, als ich selbst im Bus sitze, allerdings nach Kirchhorst. Bericht zu einem Anschlag auf einen Politiker in Korea, Bericht zu Robotertaxis in Amsterdam (noch zu unsicher).

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Am Abend an der Noltemeyerbrücke schiebe ich mich an einer Frau und drei Kindern in Gummistiefeln vorbei, um die Bahn noch zu bekommen. Es ist die Linie 13 und die Frau sagt „da kommt die böse 13“. Das erste Mal mit der Linie 13 gefahren.

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Im Bus dann telefoniert eine in einer afrikanischen Sprache, vielleicht auch ein englischer Dialekt, den ich nicht verstehe. Ich höre die Worte Doctor, 8’o’clock und Kofi Annan. Worum ging es in diesem Telefonat?

Jetzt der traurige Regen

Auf Umwegen zur Arbeit und am Abend zurück. Aus dem Busfenster schauen, die Gegend interessant aber vollkommen hoffnungslos. An einem Laternenpfahl hängt ein Plakat auf dem wird ein vermisster Hund oder eine Katze gesucht, die Fenster sind beschlagen. Verloren gehen Kinder durch den nassen Schnee, in der Schule vielleicht war eine Faschingsfeier mit Abstand. Schöne Namen der Straßen wie Luise-Blume-Straße, Tempelhofweg

Erzählt eine Frau im Pelzmantel einer anderen alles mögliche auf Russisch. Die Kaserne ist in großen Teilen abgerissen, da wird jetzt etwas anderes gebaut. Erinnerung wie ich hier falsch hingefahren bin, den Musterungsbefehl in der Jackentasche, die Wache gefragt habe, die erzählte ich müsste ganz woanders sein, fest davon überzeugt, die Musterung findet in der Kaserne statt und dies war die Kaserne, die ich kannte. Die hätten viel zu tun gehabt mit mir in der Armee

„Was habt ihr mit dem Feuerlöscher!“ der Bahnfahrer öffnet die Tür zum Abteil und die Jungen versuchen noch was „Was mit dem Feuerlöscher ist!“ sagt er jetzt da sind sie raus aus dem Wagen, dann pafft er seinen Dampf aus der zum Bahnsteig geöffneten Kabinentür. Zehlendorfweg, Vahrenheider Markt

Miniaturen (1): just another word

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Im Eingangsbereich des Supermarkts an der großen Straße sitzt ein Einbeiniger im Rollstuhl. Er hält ein Telefon in der Hand, auf welchem eine Mariacchi-Kapelle eine bekannte Nummer spielt.

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Der Straßenbahnfahrer hatte auf einer kleinen Ablage in der Fahrerkabine eine Tasse stehen, darauf waren konsequenterweise die Worte „Wild and Free“ aufgedruckt sowie die Silhouetten von Nadelbäumen, wie z. B. Kiefern.

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An einem Abend ging ich noch Einkaufen auf dem Heimweg. Da bemerkte ich eine Frau mit einem Rollator, die leise vor sich hin sang, es war kaum zu vernehmen.

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Seidenfäden an den Handgelenken

Ich habe einen dieser Briefe an K. geschrieben, in welchem ich, zumindest in Teilen, die Systemfrage beantworten konnte. Vorläufig unentschieden, stabil kritisch und um Hesses Brillensammlung ging es außerdem. Das muss man sich mal vorstellen, wie die Leute immerzu. Es ist alles weiterhin zu warm, meiner Meinung nach, gut das mich niemand danach fragt. Gelber Umschlag.

 
Weiterhin (wenn ich mich nicht immerzu bremste, könnte ich immer und immerfort solche Brieftexte weiter schreiben, käme dann von einer weltbewegenden Sache zu der nächsten. alleine die Zeit ist gegen mich positioniert, wie immer, wie es eigentlich immerzu der Fall ist, gilt es, die Zeit aus den Fugen zu schreiben, in allem was ich tue, geht es nur darum, auch wenn dies als ein unmöglich zu gewinnendes Schlachten erscheinen mag. Es muss doch angegangen sein. Außerdem heute mit dem Schornsteinfeger telefoniert und einen Alternativtermin ergattert. Den Schornstein fegt der auch schon lange nicht mehr, er misst die Abgaswege, aber das sei nur nebenbei erwähnt)  prasseln die Ideen, besonders an Abenden mit dergestalt geschriebenen Briefen, nur so hernieder aus allen Ritzen der Unvernunft. Parallel und ergänzend dazu betreibe ich hier eine Zettelwirtschaft sondergleichen, bei gleichzeitiger, gegenläufiger Stapelverarbeitung. Was dann einen Zaunpfahlwink lang endlich geordnet war, wird in der nächsten Minute gleich wieder neu überdacht oder untertunnelt, je nach dem, ob Zange oder Nagel oder Hammer gerade wahrscheinlicher erschienen sind, am silbern gestreiften Horizont. Derweil tut der Teufel, was er immer tut (und woran er, am Ende, zugrunde gehen wird).

Vor dem ersten Knick stieg heute ein Mann in die Straßenbahn, der hatte eine Marionette dabei, die er behutsam aufrecht hielt, sie stand also neben seinem linken Fuß, während der ganzen Bahnfahrt und ich glaube, er versuchte zu verstecken, dass er in stillem Dialog mit seinem Weggefährten stand, es schien so, als wenn er versuchte, es der kleinen Figur möglichst recht und bequem zu machen. Der kleine Wegbegleiter war jedoch in schwarzer Kleidung angetan und trug zudem einen Zauberhut, fast so, als wäre er es, der in die Bahn eingestiegen wäre und hätte seinem großen, ungeschlachten Gefährten den ihm zugedachten Sitz bedeutet, nämlich auf einer der herunterklappbaren Bänke in dem Teil des Waggons, welcher für die Kinderwagen und Fahrräder reserviert ist. So dauerte es auch nur ein paar Stationen (und ich war bestimmt zwischendurch abgelenkt, bzw. ist es nicht besonders angemessen, jemanden in der Staßenbahn die ganze Zeit über zu beobachten, egal ob nun groß oder klein, mit oder ohne Seidenfäden an den Handgelenken) bis ich einen Menschen sah, mit schütterem, in verschiedenen Richtungen stehendem Haar, der allerdings nur wie eine Marionette zu gehen imstande war, die Füße fielen gewissermaßen von den nach oben gezogenen Kniegelenken direkt wieder hinunter auf den Boden. Da wir inzwischen im Tunnel waren, nutzte er die Gelegenheit, sich, im vor der schwarzen Tunnelwand spiegelnden Fensterglas betrachtend, die Haare zu richten, indem er sie noch mehr in Unordnung brachte, ganz genau so, wie ich es auch getan hätte, an seiner Stelle.

Kleine bescheuerte Texte, die Dich in Deiner Verzweiflung nicht weiter stören oder doch. Our love become a funeral pie.

Ich hatte die Vermutung, besser: Befürchtung, dass die Sofortbild-Kamera, die ich wirklich sehr gerne habe, durch

einen kleinen Umfall, den ich irgendwann im Frühjahr des Jahres ertrug, einen Schaden bekommen haben könnte, der – im Gegensatz zu dem Schaden, den ich selber im Zuge dieser Angelegenheit mit mir nahm – nicht durch ein wenig Keramik und UV-Licht aus der Welt zu schaffen wäre. Obschon sie auf der einen von vier Einstellungen immer noch Fotos mit Sichtbarkeit ausfertigte, gab es Bilder, die bei mir Zweifel hatten aufkommen lassen. Jedoch: Neulich nahm ich allen Mut, der dafür notwendig war, zusammen und fertigte testweise auf jeder Einstellung ein Foto an, mit einem Resultat und diese Fotos sind hier, in einer Übertragung ins digitale Format, nun sichtbar.

Eine weitere Erkenntnis, die ich dabei hatte: Der (übrigens mechanische) Zähler zählt nach unten und zeigt die verbleibenden Bilder an. Ich schreibe das hier auf, um es mir zu merken. Es sind jetzt noch drei schwarzweiße Fotografien verfügbar. Ich denke schon eine ganze Weile, also bereits mehrere Tage, darüber nach, wie ich diese drei Bilder so fotografieren kann, dass es gut ist. Es hätte dazu ein paar Gelegenheiten gegeben, jedoch hatte ich dann am Morgen den Fotoapparat nicht in den Rucksack gelegt, oder aber ich hatte den Fotoapparat dabei, jedoch keine Zeit, für das Motiv aus der Bahn auszusteigen oder es gab sogar garkein Motiv, denn das man jeden Tag dieselbe die gleiche Bahnstrecke entlangfährt, bedeutet ja noch lange nicht, dass an jedem Tag dieselben Bilder ebd. gemacht werden könnten: eher im Gegenteil: Ein Bild, dass an dem einen Tag aufgenommen werden könnte, kann am darauffolgenden (und sogar für alle Ewigkeit) bereits verloren sein (das ist tatsächlich immer der Fall) und handelte es sich nur um die Fotografie eines Baumes oder eines Papierkorbs am Wegesrand.#

Groovy kind ov lov.

Beweismittel einer oder mehrerer Existenzen

Heute auf dem Weg nachhause in der Bahn T. getroffen, den ich von einer vergangenen Arbeit für eine Bande von Hampelmännern kenne. Er arbeitet im Spiegelpalast, dort wo die Bahn die Biege macht und ich erwartete eigentlich schon die ganze Zeit über, dass wir uns, sei es am Morgen oder am Abend, einmal in der Straßenbahn treffen. Berichtete mir von Wäschekörben voller Anträge, die, noch auf Papier geschrieben, aus eine ausgeklügelt merkwürdige Weise dortselbst verarbeitet würden, so das gewisse Systemtheoretiker ihre allerhellste Freude daran hätten. Wir schreiben uns hier und da kurze Nachrichten in unsere Telefone hinein. Zu diesem hermetischen Gebäude, welches eine gewisse Faszination auf mich ausübt, gibt es bereits einen Textentwurf hier in den unfertigen Texten, die auf der Festplatte im Rechenzentrum schlummern, dort also, wo auch der ganze Rest der Dateien liegt, die hier als Beweismittel einer oder mehrerer Existenzen, die sich teilweise überlappen und teilweise widersprechen, aufgeführt werden. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn ich Zeit gefunden habe, die ganzen Notizen zu diesem Buch, welches ich in dieser Zeit, als der unfertige Text entstand, las und um welches es dort eigentlich sich doch handelt, zu verarbeiten und in einen größer gedachten Zusammenhang zu stellen, wird sich vielleicht noch genauer zeigen, worum es mir dabei geht.

20180110_173059 — dieses Foto habe ich gestern abend aufgenommen. Es zeigt den Funkturm dieser Stadt und hat nichts und sehr viel mit diesem Text zu tun und allem.

[Einmal für drei Monate]

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In dieser Stadt liegt noch eine ganz andere, große Stadt, von der ich wirklich nur etwas geahnt habe und die ich nur durchquerte, bis jetzt, bis ich jetzt, beim erneuten und sozusagen fast täglichen Wiederholen der Durchquerung bemerke, das diese Quartiere eine ungeahnte Ausdehnung besitzen und das die Stadt in Gänze viel größer ist, als immer angenommen. Ich glaube, dass sich noch viel mehr überraschende Urbanitäten in allen Himmelsrichtungen finden könnten. Heute auf dem Weg nachhause die Idee gehabt, dass es wirklich ganz schön wäre, einmal für drei Monate in einem anderen Stadteil wohnen zu können, und dann wieder für drei oder vier Monate in noch einer ganz neuen Gegend. Das wird jetzt so eine Idee sein, die mich jahrelang verfolgen wird, das weiß ich jetzt schon. So legt man sich eine fixe Idee nach der nächsten in das Kästchen hinein, bis endgültig angebaut werden muss. Ende der Durchsage.

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Die Fotos passen nun noch nicht wirklich, da ich mich noch nicht getraut habe, einfach die Kamera oder das Telefon im vorrübergehen zu gebrauchen, beiläufig und verwackelt, um das Zittern zu kaschieren, im Dämmerlicht.

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Vielleicht das ich die Fotos dann einfach gegen andere austausche, es wird ja eh niemand bemerken.

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Denn was gegen alle Gegenden jenseitz der Bödeker bzw. Ferdinand-Wallbrecht spricht ist doch: Sie sind einfach zu weit entfernt von der Calenberger Neustadt, der Nordstadt und Linden. Aber für jeweils drei Monate, das könnte gehen. Man müsste natürlich die Wohnung behalten können.

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Und einmal hier drin kommst Du nie wieder raus, es sei denn Du bist Snake Plisken

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In der letzten Zeit viel über Melatonin nachgedacht

Das macht alles nichts, es ist nicht wichtig. Auf der Rückseite des hier als Lichtabtastung eingefügten Blattes Papier habe ich einen Brief an K. geschrieben, in dem Gänse sehr viel Raum einnehmen. Das ist auch genau richtig so. In der letzten Zeit viel über Melatonin nachgedacht, das bringt der November, der Dezember so mit sich. Die Tage gehen dahin und ich sitze am Morgen und am Abend in der Bahn und lese im Buch, dem wunderbaren Buch 4 3 2 1 von Auster, in dem er die Erfahrungen mit sich selber, die er in den letzten, autobiographischen Schriften gesammelt hat, umwandelt und gleich Leben sich ausdenkt und wie sie unterschiedlich sind und wie sie sich ähnlich sind. Wenn ich über die Noltemeyerbrücke fahre, am Morgen und auch am Abend, dann blicke ich immer noch kurz auf von der Lektüre, aber ansonsten könnte ich wieder wieder stundenlang so sitzen und die Schienen ruckeln unter mir dahin und die Geschichten ziehen vor meinen Augen vorbei. Viel Ersatzverkehr in der letzten Zeit, bei der einen Sache ist jemand betrunken gewesen zwischen Bahn und Bahnsteig geraten, als der Zug wieder anfuhr, und ist dann gestorben, da war die ganze Straße voller Blaulicht und die Polizisten und Polizistinnen suchten mit lichtstarken Taschenlampen die Schienen ab, da wusste ich es noch nicht, aber als ich es so sah, da ahnte ich, dass hier vor kurzem jemand gestorben war. Eine oder zwei Wochen später ist ein Mädchen von der Straßenbahn erfasst worden, sie ist neun Jahre alt und ich schreibe es so, weil sie immer noch neun Jahre alt ist, denn es ist beim Schrecken und ein paar Schrammen geblieben. Auch das passiert. Im Radio sind die Nachrichten um 10 Uhr abends zuende, es werden die Staus durchgesagt für das ganze Land, überall stehen die Menschen mit ihren Autos auf den Bahnen und warten, dass es weiter geht. Das kleine Radio, welches bei der Oma im Zimmer stand im Alterheim, in den letzten Monaten, das steht bei mir jetzt im schwarzen Billy-Regal und ist ganz richtig dort. Bald ist das Jahr vorbei.