Menschen in der Stadt

Der Kiosk hat ein Verkaufsfenster für die Vorbeieilenden und einen Laden, in dem ich stehe. Am Fenster der Einarmige in der Jeansweste, der einen anderen Akzent hat als der Mensch im Kiosk, möchte ein „Chindeler“, der Kioskmann versteht aber nur „Krombacher“. Ich hole ein „Lindener“ aus dem Kühlschrank, halte es dem Einarmigen hin und frage, ob er das möchte. Der nickt. Kioskmann und Einarmiger zufrieden.

Die Bahn, mit der ich jetzt fahre, fährt zu einer Haltestelle, an der sowohl die ‚Swiss Life‘ als auch die ‚HDI‘ große Niederlassungen haben. Gestern saß mir schräg gegenüber eine Frau im schwarzen Kleid, die hatte eine Tasche dabei, auf welcher, über die ganze Tasche verteilt, die Buchstaben „MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK MK“ geschrieben standen. Auch hatte sie kürzlich einen teuren Friseur besucht und las in der Zeitschrift „Glanour“. Ein Mann im Jeanshemd, ausgetretenen Schuhen und mit halber Glatze, der hinter ihr Stand, las unbemerkt und interessiert mit. Mir direkt gegenüber eine Dame, die eine ganz ähnliche Mode trug wie die Glamour-Frau, nur in der Ausführung nicht ganz so glatt. Aus der Tragetasche neben ihr ragten Blumenköpfe.

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Am Abend stieg ich an der Noltemeyerbrücke aus, gleich steht dort auch ein Mann mit einem knallblauen Turban auf dem Kopf, mir gegenüber an der Fußgängerampel, außerdem Holzfällerhemd, Stone-Washed-Jeans, Turnschuhe und ein grauer Bart. Das war am 28. August diesen Jahres.

Historische Bauten aus einem untergegangenen Land

Als ich gestern mit der Straßenbahn aus Altwarmbüchen zurück in die Innenstadt fuhr, auf der Noltemeyerbrücke, da kam gerade ein Schiff den Kanal hinaufgefahren in Richtung Anderten/Schleuse. Froh darüber gewesen, dass der Mittellandkanal durch die Stadt gebaut ist und ich aus der Straßenbahn hinaus die Schiffe sehen kann, wenn denn gerade einmal eines zu sehen ist. Das war so ein Moment wie wenn in Berlin eine Straßenbahn durch ein Haus hindurchfährt.

Während ich das hier schon schreibe, also nachdem ich den ersten Absatz geschrieben habe, die Schlafanzughose angezogen, zwei T-Shirts, 2 Paar Socken und eine Boxershorts auf den Heizkörper-Wäscheständer gehängt, denn auch wenn der Balkon durch den darüberhängenden Balkon überdacht ist, wird die Wäsche beim wiederum andauernden Regenfall einfach nicht richtig trocken draußen. Das Notizbuch gesucht, denn während der Fahrt habe ich gestern auch ein paar krickelige Notizen aufgeschrieben, die ich nachlesen möchte.

Wohnpark Altwarmbüchen. Besteht aus gleichförmigen Häusern mit Fassaden in Brauntönen. Es sind historische Bauten aus einem untergegangenen Land. In den umgebenden Einfamilienhaus-Clustern gibt es offenbar einen Trend, mit exotischen Baumgewächsen anzugeben.

U-Bahn-Station Kröpcke, Ebene -1 (Verteilebene)

Den halben Tag in Bankgeschäften unterwegs gewesen, gezwungenermaßen. Mit dem neuerworbenen Monatsticket etwa zum Kröpcke gefahren, dort die Türen der Filiale verschlossen vorgefunden, dann wieder nachhause, um später noch einmal den gleichen Weg zu nehmen. Auf dem Rückweg über Niedersachsenring und mit Bier für ca. 5 Euro, Schuhen für ca. 150 Euro sowie Medikamenten für ca. 3.600 Euro bepackt nachhause gelaufen. Das Bier wird z. Zt. getrunken und was davon ausgedacht ist, kann sich jeder selber ausdenken.

Nudeln mit Gulaschsuppe

Heute am Morgen, auf dem Weg zu meinem Termin, habe ich im Aegi eine der neuen Bahnen erwischt. Ich fuhr in eine Gegend der Stadt, in die ich sonst nie fahre. Die jetzt viel leiseren neuen Triebwagen, die helle LED-Beleuchtung und dazu noch eine Parfumwolke, die in den Wagen eingebracht worden war und sich mit dem Geruch der neuen Sitze und Türdichtungen vermischte, also wie im Duty-Free-Shop im glitzernden Flughafen, etwa Schiphol. Noch dazu saß ich als alternative Version meiner selbst dort auf den neuen Schalensitzen, mit der lila Krawatte und in Gedanken bereits im Flugmodus, so dass ich mich, mehrere Sekunden lang, tatsächlich in einer groß angelegten Transit-Situation befunden haben muss, denn auch die Zeit verging viel schneller, als sie es normalerweise tut.

Dann der Wechsel zum letzten geklauten Dienstag, bis in unvorhersehbarer Zukunft. Rückfahrt entlang der an der Bahnstrecke aufgereihten Hannoverschen Kaffeemühlen (der Pfeffersäcke, damals wie heute), Nudeln mit Gulaschsuppe, am Nachmittag im Erdgeschoss-Kino im Anzeiger-Hochhaus. „Monsieur Pierre geht online“. Der alte Pierre Richard und ich hingegen seit 1 1/2 Tagen auf der Suche nach einem französisch erinnerten Namen, wie mich jeder fünfte beim Abspann daran erinnert, ist eine andere Geschichte.

Wir saßen dann evakuiert im Elternhaus

Gestern und heute waren wärmere Tage, aber ansonsten war es ungewöhnlich kühl arschkalt in der letzten Zeit. Die Heizung musste immer wieder laufen. Habe die Vermutung, dass der Golfstrom jetzt doch die Richtung wechselt oder kälter wird und aber niemand es für nötig befunden hat, dies einmal zu thematisieren, geschweigedenn. Heute wieder einmal in der Gegend Lister Damm / Pelikanviertel usw. gewesen. Am Immengarten (und das ist wirklich einmal ein sehr schöner Straßenname) sind, von mir bisher unbemerkt, neue Häuser entstanden, wie sie jetzt überall gleichförmig gebaut werden, mit herausragenden kubischen Balkonen und einer Struktur verschobener Quadern. Tetris-Moderne. In Bremen und Hamburg und wo auch immer bereits ähnliches gesehen. Es sind jedenfalls weitere Beweise dafür, dass die Stadt immer dichter bebaut wird und die Lücken sich schließen.

Immer, wenn ich solche Zäune sehe, die an Brachen oder Baustellen angrenzen, dann muss ich daran denken, ob dies ein guter Ort für die Diskettenkunst „a.a.O. (1)“ wäre, die eben leider doch nicht an den nächstbesten Maschendrahtzaun gehängt werden kann.

Das hier jedenfalls ist noch ganz neu und mit Sicherheit werden sich die schönen, glatten Menschen hier wohlfühlen, für die diese Bauwerke errichtet wurden, während sie im Internet nach Achtsamkeitsseminaren googlen, weil sie so eine Leere im Innern verspüren. Zwischen Podbielskistraße und Mittellandkanal aber, mehr in Richtung Mittellandkanal, gibt es sehr viele Kleingärten, in die ich auf dem Rückweg von meinem Termin kurz reingerate, in der Radellaune, in der ich mich befinde. Ein Wegweiser zeigt „Zum Zahlengarten“ an, den ich aber leider nicht entdecken kann. Auch kann ich mir darunter nichts vorstellen. Erinnere mich gerade an das Déja Vu, dass ich hatte, als ich das letzte Mal in genau dieser Straße gewesen bin, bzw. wiederholte sich dieses gerade oder setzte sich fort. Sie kennen das.

Sie haben vielleicht von der Bombenentschärfung vor ca. einer Woche gehört. Auch dort, wo das nun verkleinerte Busdepot war und davor noch ein Straßenbahn-Betriebshof, Wohnungsbau. Dagegen ist jedoch eigentlich nichts zu sagen, die Menschen müssen wohnen und jedenfalls ich möchte hier keine Hamburger Verhältnisse haben. Wir saßen dann evakuiert im Elternhaus am Stadtrand und lasen in regelmäßigen Abständen auf den Handies, wie es um die Dinge stand. Sobald es etwas Neues gab, erzählten wir uns davon, sprachen auch sonst darüber, wieviele Bomben es wohl noch gäbe in der Erde, wie die Oma einmal ein neues, weißes Kleid anhatte und dann in den Luftschutzkeller musste, usw. Ich habe aber auch, zumindest teilweise, den Wikipedia-Artikel über Amseln gelesen und erzählte auch davon. Am Morgen nämlich eine Amsel gehört, wie sie vor dem Fenster sang, natürlich ein ganz anderes Lied als der Vogel in unserem Baum. Eine Zweite antwortete jedenfalls, ein ganzes Stück entfernt, mit eigentlich garnicht zu unterscheidenden Wiederholungen des jeweils vorangegangen Melodiestückes. Das nennt sich Kontergesang und der jeweilige Vogel möchte damit zeigen, dass ihm der Baum gehört.

Dies ist ein Film von dem Busdepot, aufgenommen am 17. November 2011. Sehr vieles, was dort zu sehen ist, ist nun verschwunden: Die Bahnschienen, die immer noch im Kopfsteinpflaster lagen, die Häuser, das Kopfsteinpflaster selber und das gelbe Licht der Laternen. Die Laternen selber. Tunken wir doch den Kupferdraht tiefer in den Äther ein vergewissern uns, dass es einmal eine Vergangenheit gab.

In den Bildern

Der Rossmann-Fotodienst hat jetzt den dritten Film überbelichtet entwickelt. Einerseits mag ich den Effekt, der sich dadurch ergibt, die Fotos sehen aus wie aus einer anderen Zeit. Andererseits lasse ich wiederum keine Abzüge machen, um schlechte Fotos zu haben, aus denen ich dann mit Scanner und Nachjustierung wieder etwas mache, was der gesehenen Wirklichkeit näher kommt. Aber wenigstens ist es keiner dieser unsäglichen Patina-Filter, mit denen häufig versucht wird, den Bildern (und also dem eigenen Dasein?) mehr Bedeutung einzuhauchen, was in den meißten Fällen leider das Gegenteil bewirkt, für Bild wie auch für Dasein.

Booterstown Train Station, Co. Dublin

Ligne de Métro n°9

Ein schöner Zufallsfund, der sich neulich bei einer Recherche für etwas ganz anderes ergab, sind die Fotos, die Thonon ins Netz stellt. Stille, schwarz-weiße Aufnahmen von unterwegs. Besonders die Serie Ligne de Métro n°9 fand ich sehr schön. Es werden Aufnahmen der hannoverschen Stadtbahn Linie 9 gezeigt, die vom Fasanenkrug nach Empelde fährt. Zu meiner Schulzeit bin ich sehr oft mit dieser Linie gefahren, als Teil des Schulwegs zwischen Kröpcke und Lindener Hafen. Sie fuhr damals noch von der Alten Heide ab und hieß eine Zeit lang auch noch Linie 19. Es sind sehr schöne, filmische Aufnahmen, die mir meine wohlbekannte Stadt mit einem anderen, vielleicht fremderen, Blick zeigen, den ich nicht haben kann und mir manchmal wünschen würde. Selten ist es, dass ich mich in einer fremden Stadt fühle, ich habe auch noch nicht ganz herausgefunden, woran es dann liegt.

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Das zweite Fundstück habe ich beim Rekonstruieren der alten Blogeinträge gemacht, was immer noch im Gange ist. Es sind Aufnahmen aus dem Jahr 2008, die ich selber gemacht habe und die den Küchengartenplatz zeigen, kurz bevor die Fußgängerbrücke zum Ihmezentrum abgerissen wurde. Jetzt sind die Fotos eine Erinnerung daran, wie der Küchengarten einmal ausgesehen hat und natürlich den beginnenden Verfall des Ihmezentrums. Wie ich vorhin erst gesehen habe, ist an einem der Brückenpfeiler ein Plakat zu sehen, auf dem ein Freund abgebildet ist und das für ein Konzert mit ihm warb.

Gestern zaghafte Schritte

im mitt- und nachmittäglichen Müßiggang. Limmerstraße, Steet Kitchen, die Linie 10 zum Steintor. „Love & Friendship“ im Hochhaus-Kino, dass wohl umgebaut wird. Jedenfalls waren wir in einem improvisierten Kinosaal plaziert, im Erdgeschoss. Dicht in eine Reihe gestellte kubische Corbusier-Sessel, die erste Reihe dann konsequenterweise die LC4 Chaise Lonque. Wir saßen weiter hinten auf unbequmen Stühlen. Ein schöner Raum mit interessanter Beleuchtung, viele Lampen an den Wänden und eine indirekte Lichtquelle hinter Glas, die wie Tageslicht wirkt. Kein Foto. Der Film (nach einem Roman von Jane Austen) nimmt gemächlich Fahrt auf und ist dann vorbei, als er richtig lustig wird. Schöne Kostüme und gescheite Dialoge. Kann aber gut angeschaut werden, an einem Montagnachmittag im Januar.

Die Bahn verpasst und eine Station zu Fuß

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gegangen heute am Abend. An der Stockholmer Allee, kurz vor dem Aufgang zu den Hochbahnsteigen, lief dann noch ein Hase, aber ich glaube sogar ein Fuchs, über die Schienen, schnell. Es war nicht so gut zu erkennen welche Art von Tier.

Bei der Endhaltestelle eine tolle, weiche Wiese, in der die Schuhe versinken, die vom Winter, Wind und Regen ganz wellig geworden ist.

Auch die Amsel. Aber die darf ich nicht ein drittes Mal zeigen. Gestern bin ich auch bereits aufgefallen, als ich dort stand und aufnahm.