Getarnt als nasser Hund,

 
wiederum regenbedingt, hatte ich mich am Samstag an einen noch unbekannten Ort bewegt auf dem scheppernden Rad und zwar, um ein Koncert der Formation WNU zu hören. In einem Hinterhof in einem sehr nahe an der Innenstadt gelegenen Industriegebiet, in dem naturgemäß die Umsätze in ihrem Wachstum mit dem der Nachtschattengewächse im Wettberwerb stehen, und wie sollte es auch anders sein. Der Regen, der seit Tagen ergiebig auf die Stadt herunterkam, hatte mich fast zur Umkehr bewogen, allerdings dauerte die Fahrt 1.) nur ungefähr 10 Minuten und 2.) hatte ich ⅓ der Musiker mein Kommen versprochen, und am Ende war es dann nicht weiter schlimm.

WNU sind Wilson Novitzki (Gitarre), Nils Schumacher (E-Bass) und Uli Hoffmann (Schlagzeug)

Denn da saß also ich als der nasse Hund und hörte zu, wie man sich schöne Songtitel ausdachte (»Nacht der Algorithmen«) und noch schönere Komplexitäten zusammenimprovisierte, sodass das Denken verwinkelter Zusammenhänge, zumindest für die Dauer des Koncerts, eingestellt werden konnte. Projektionsflächen aus Tönen zogen sich durch den Raum, der ansonsten voller Bilder war, die jedoch nicht alle zu hängen gekommen waren, sondern in an die Wand gelehnten Stapeln standen. Ein Plakat kündigte einen Maskenball direkt nach Beginn der Fastenzeit an. Es war natürlich viel lauter, als die Stücke auf der Soundcloud-Seite sich anhören. Zwischendurch, beim zuhören, tatsächlich für einige Momente aus der Zeit gefallen, was ja immer besonders schön ist. Häufig.

Hier noch ein kurzes Video der Formation von einem Auftritt in Berlin

[Nur eine Busfahrt]

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Was einmal Holz gewesen

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Also eigentlich hätte ich heute über die verschiedenen Arten von Schwindel schreiben können und wollen und vielleicht sogar sollen, aber daraus wird einmal nichts. Morgen morgen nur nicht Heute usw., also. Dann muss ich diese kleinen Kritzeleien herhalten, die ich auf den Rücken der Korrekturtexte austrage, auf der Arbeit, das ist so eine kleine Freiheit die keinem weh tut, außer vielleicht mir. Anstatt sie direkt in den weißen Plastikmülleimer, der für das Papier ist, zu tun, lege ich sie in eine der Taschen meiner Tasche und dann auch noch dazu Zuhause auf den Scanner, als wenn es noch nicht schlimm genug gewesen wäre. Aber so ist das halt, mit dem dicksten Biber der Stadt, alles was einmal Holz gewesen ist, kann noch genutzt werden zum Dammbau, zur Kanalisierung, zur Fütterung der Papiertiger.

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Während die Glocken schon den Abend einläuten

Als ich am Lister Platz aus der U-Bahn-Station komme, da sitzt jemand auf der Bank bei den Betonbögen, die das Überdach des Ausgangs begrenzen, und spielt auf der Gitarre, während die Glocken schon den Abend einläuten, neben ihm sitzen Leute und unterhalten sich. Ich gehe ein Stück die Meile hinunter zur Bank, im Weggehen höre ich noch die ersten Akkorde von „Wish You Where Here“. Vor dem Eingang kommt mir langsam ein Mensch mit einem Rollator entgegen, bevor ich durch die Tür gehe sehe ich noch, es ist einer von denen, die wir verkaufen. Da läuft die Diktierfunktion auf dem Handy schon nicht mehr. Als ich wieder herauskomme, sitzt er auf einer der Holzbänke vor dem Fischladen und raucht, eine selbstgedrehte, er hat einen weißen Bart und seine Frau steht in einem Anorak neben ihm und spricht mit ihm. Ich gehe ausnahmsweise durch die Passage und dann an der Edenstraße nach rechts, an der Ecke in dem Laden kaufe ich Brot. Heute ist der kurze Weg, den ich hier am Abend mache, wieder ein wenig so, als würde ich durch einen dieser schönen Kinofilme laufen und gleich könnte es vielleicht zu regnen anfangen. Gegenüber der Bushaltestelle preist eine in grellem Rot blinkende Laufschrift zuerst „Nudel gerichte“ und dann „Doner“ an. Ich nehme den Bus 121 in Richtung Haltenhoffstraße.

Ggn. Morgen

wieder einmal einer dieser Träume, in denen der Weg voller Hindernisse ist. Dieser war aber eine neue Version und, wenn ich so sagen kann, vergleichsweise harmlos (keine Abgründe, keine hohen Mauern, keine schwankenden Treppenhäuser aus morschen Hölzern). In der Straße, in der ich wohnte, war ein Umzug und die Leute, die dort einzogen, im Haus gegenüber vielleicht, hatten die ganze Straße, also die Fahrbahn, den Fußweg, alles, mit Möbeln vollgestellt und mit Wäschekörben voller Dinge, die sehr bunt waren und aus Plastik. Ich musste allerdings dringend dort hindurch. Letztenendes begann ich, die Hindernisse eigenmächtig aus dem Weg zu räumen und es war auch egal, ob das grob zur Seite geschobene Objekt dabei Schaden nahm. Es stand wirklich die ganze Straße voll mit dem verteilten Gerümpel der neuen Nachbarn, die irgendwo rumstanden, nichts taten und Zigaretten rauchten.

Vielleicht kam das Bild von A.’s E-Mail, die ich gestern Abend noch im Bett las, in welcher sie einen anstehenden Umzug ankündigt inkl. einer kurzen Auflistung der umzuziehenden Gegenstände.

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Ich weiß nicht, ob ich Kunst als die Kehrseite der Dinge bezeichnen würde, genaugenommen weiß ich auch nicht, ob der Text, den ich gerade las, dies tut. Ich weiß auch nicht, wer genau dieses uns sein soll, von dem dort geschrieben wird. Ich gehöre offenbar nicht dazu, oder jedenfalls nur Teile von mir. Das Lesen hatte aber zwei Effekte: Zum einen höre ich jetzt gerade die OK Computer, was ich schon vorhabe, seitdem ich diese Notiz von Swen kürzlich im RSS gesehen habe. Zum anderen hat es mich, da dort auch von Träumen geschrieben wird, an den Traum mit dem bunten Plastik erinnert und so also direkt zu diesem Text geführt. Für mich hat Kunst aber viel mit Zwecklosigkeit zu tun, mit der Freiheit, etwas zu machen (auch das „Machen“ ist dabei vielleicht wichtiger als das Ergebnis), ohne dass es einen Nutzen haben muss.

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Hätten Radiohead nicht ihr Album vor 20 Jahren so betitelt, vielleicht würden wir dann OK Computer sagen statt Hey Siri? Ich jedoch nicht, weil ich nicht mit Maschinen spreche. Vielleicht schreie ich sie mal an oder trete mit dem Fuß dagegen, z.B. gegen den Briefmarkenautomaten, der auch nach dem zehnten Versuch keine Eurostücke annimmt. Ich gehöre also auch nicht zu diesem Wir, von dem ich hier schreibe.

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Heute beim Laufen eine Runde mehr als sonst üblich.

Regenbogen aus Holz

Müde. Treffen mit M. am Vormittag. Vor dem Bahnhof hat ein Kurator aus Hamburg einen Regenbogen aus Holz aufstellen lassen, durch einen ihm bekannten Künstler namens Darko Caramello Nikolic. Als wenn das der echte Name wäre! Zum ersten Mal(!) in der Ernst-August-Galerie gewesen, für ungefähr eine halbe Minute. Sogar bei Starbucks gewesen, aber weder etwas gekauft, noch auf der Toilette, sondern nur kurz in die Schlange gestellt, dann schnell wieder weg, weil Text von M. kam, sie wäre jetzt wieder drin. Oder draußen? Jedenfalls haben wir uns dann getroffen. Drinnen. Sind dann raus. Sind dann in das andere Kettencafé im Bahnhof, weil man dort in der Sonne sitzen konnte, zwischen den Wolken und mit Blick auf den Regenbogen aus Holz, der derweil für eine Photosession herhalten musste.

Der Presseladen ist zu und der andere Presseladen hatte die Edit nicht, aber Compact und Tichy’s Einblick ebenfalls schön zwischen den Satiremagazinen (Titanic, Eulenspiegel, Mad-Magazin) platziert. M. hat die Cosmo gekauft, die jetzt aussieht wie eine Puppenausgabe der Cosmo, für 1,- Euro. Ich habe sie dann noch in den Zug nach Salzgitter gesetzt.

Schreiben an der Grenze zum Unsichtbaren

„Teilnehmende,  und  zwar  zögernd,  enthusiastisch,  abwartend,  sich  hineinstürzend  teilnehmende  Beobachter  und  beobachtende, und zwar genau, selbstreflexiv, ironisch, leidenschaftlich beobachtende Teilnehmerinnen waren wir alle.“

Ich bin gerade dabei, das Blog zu reparieren. Das dauert. Ich habe eines der hauptsächlichen Probleme bereits hier beschrieben – der Bilderdienst, den ich nutzte, um Speicherplatz zu sparen, hatte irgendwann seine AGB geändert mit der Folge, dass viele (wirklich sehr viele) Bilder nicht angezeigt werden. Ich bin jetzt bei ungefähr der Hälfte angelangt. Als nächstes werden die alten Links, die beim Blogumzug von Blogger.com auf WordPress auf der Strecke blieben, repariert. Aber darum geht es hier nicht. Eine solche Aufgabe ist auch immer eine Beschäftigung mit der Vergangenheit. Das Bilderportal habe ich ab 2005 genutzt, nun bin ich im Jahr 2008. Nicht nur, dass die Kameras technisch noch nicht so aufgedonnert waren, es waren auch ganz andere Fotos, die da gemacht wurden, es war ein ganz anderes Leben, das damals™ gelebt wurde.

Ramponierter Screenshot aus dem Archiv – coderwelsh 2006

Das bringt mich zu der Frage, was das eigentlich ist, was ich hier mache. Auch, weil dieses Blog heute vor 15 Jahren zum ersten mal beschrieben wurde. Da die Texte vor 15, 10 und auch vor 5 Jahren ganz andere waren, kann nicht gesagt werden, dass hier seit 15 Jahren dasselbe passiert. Es ist vielmehr so, dass hier immer wieder etwas Neues passiert. Das Eingangszitat stammt aus einem Text von Ekkehard Knörrer, der sich um Blogs dreht, was sie mal waren, was sie jetzt vielleicht noch sind, und um die Menschen, die sie schrieben (und schreiben). Ich habe ihn beim Kutter gefunden, einem Blog, das es auch geschafft hat, die Jahre, das Älterwerden und insbesondere Instagram, Facebook und Twitter zu überleben und in die Konstruktion der Online-Identität einzubinden. Ich gehe von einer Konstruktion aus, so steht es hier auch im Impressum, was bedeutet, das, was hier steht, ist ausgedacht, was es aber nicht weniger wahr macht. Das unterscheidet meine Sichtweise vielleicht auf den ersten Blick von der im zitierten Text, der von einem (Mit)teilen eigener, erlebter Wirklichkeit ausgeht. Jedoch ist alles, was im Medium fixiert ist, immer Konstruktion und nur die Rahmung erlaubt es, den „Wahrheitsgehalt“, also die Schnittmenge mit der Realität all der Anderen, zu bestimmen. Das ist hier aber nicht wichtig. Ich bin nicht die Tagesschau (und das so viele Facebook als die bessere Tagesschau ansehen, ist ein Problem für sich).

Me, scanned behind my bubblefilter.

In der Rückschau fiel mir außerdem auf: Hier war früher richtig was los. Die Menschen haben gelesen und kommentiert und anderswo zitiert und so weiter. Das ist weg, denn bis auf den Haustroll, der beständig den Spam-Ordner füllt (ich lösche es automatisch, ich lese es nicht), tut sich hier wenig. Das Schreiben findet für 3-5 Menschen statt, vielleicht mal 10, die hier mitlesen, die meißten Besucher kommen über Twitter. Ich vermisse die Unabhängikeit, die die oszillierende Blogosphäre der frühen Jahre bot. Hier entstanden Beziehungen zwischen den Texten und den Textenden via Link quasi wie von selbst, da wir uns in unseren eigenen Texten begegnen konnten, fast wie zufällig. Es gab keine Algorithmen, die einem ihre Sicht der Dinge aufdrängten und persönliche Vorlieben auszuspionieren versuchten, um passgenaue Werbung abzusetzen oder die Regierung zu stürzen. Wir, damit sind alle gemeint, die sich angesprochen fühlen, hatten uns ein eigenes Netz geschaffen, dass tatsächlich ein gewisses Maß an Unabhängigkeit von den etablierten Medien gewährte und im besten Sinne ein Netz war und nicht ein großer Kanal voll Brackwasser, kein geschlossenes, undurchlässiges  System. Die Kommentarfunktion, Blogrolls und die unzähligen Links, die über unsere eigenen Texte und damit über uns selbst hinauswiesen bildeten eine Membran, die unser Schreiben beständig den Einflüssen von außen aussetzte.

Netzliteratur

Für mich fing das Bloggen nicht, wie für so viele andere, mit Antville an, sondern es muss sich wohl in der Mailingliste Netzliteratur ereignet haben. Hier fingen Ende der 90er Jahre die ersten an, mit Onlinetagebüchern herumzuexperimentieren, die sehr bald auch richtigerweise Blogs hießen. Denn es ist kein Tagebuch. Tagebücher haben ein Publikum von genau einer Person, die noch nicht existiert, sie richten sich (meißt exklusiv) an das zukünftige Ich des Schreibenden.  Blogs richten sich an alle im Internet, sind vielleicht die erste genuine Literaturform, die das Netz aus sich selbst heraus hervorgebracht hat. Denn

„einen Link zu setzen, bedeutete bisher nichts anderes, als eine Anmerkung zu machen […] Nicht so auf einer Blogging-Site: Hier wird der Link zu einem integralen Bestandteil des Textes. Einen Link zu setzen, bedeutet etwas zu sagen; ja, man setzt ihn eigentlich nicht mehr, sondern schreibt ihn, schreibt mit ihm ein Stück Text und schreibt danach weiter, schreibt den Link gleichsam weiter, was auf den ersten Blick zu etwas führt, das wie ein Kommentar oder eine Erzählung aussieht, aber doch viel mehr ist. Denn etwas völlig Neues wird so in die Welt gesetzt.“

Blogs als Literaturform sind die „ersten randlosen Texte“, Texte, die eigentlich niemals als elitäre Schöpfung eines Genies nur alleine bestehen wollen und können, gegenwärtig und Augenblickspoesie. Vielleicht ist es deshalb auch ein wenig merkwürdig, durch die Archive zu gehen und dem ganzen aus dem Moment heraus Geschriebenen wieder zu begegnen.

In der [ML/NL] ging es um neue Formen der Literatur, die die Möglichkeiten des Internets nutzt und sie als unverzichtbaren Bestandteil integriert. Also nicht Gedichte ins Netz stellen, was ich hier auch einfach so mache, weil ich mir hier keine Regeln gebe, sondern Links verwenden, gemeinsam Texte schreiben, E-Mail-Erzählungen etwa, fremde Texte inkorporieren, viel auf der Metaebene diskutieren, was das eigentlich alles ist und was jetzt was sein könnte. Ich weiß natürlich nicht mehr, wer von den Mitschreibenden damals™ als erstes mit einem Blog um die Ecke kam. Präsent sind mir Claudia Klinger mit ihrem Digidiary, das Generationenprojekt und Juhs Sudelbuch von Jan-Ulrich Haseke, Hor.de von Dirk Schröder oder litart.ch von Regula Ernie. Von dort aus muss ich irgendwie in die Antville geraten sein, wo es noch viel mehr gab und sich viele Wege kreuzten. Es kann aber auch sein, dass das berüchtigte Intro-Forum, nächtlicher Treffpunkt trinkfreudiger Popkultur- und Internetfreundinnen und -Freunde, hierbei eine Rolle gespielt hat.

Ich wollte so etwas auch haben und begann, zunächst ohne CMS, ein Journal zu schreiben. Dann nutzte ich die Plattform Blogger.com, die damals™ weder über eine Kommentarfunktion verfügte, noch zu Google gehörte. Auf Antville wurden keine neuen Blogs mehr aufgemacht, da es auf dem bestehenden Server wohl recht eng geworden war. Ich fand es aber schon immer gut, selbst über den Speicherplatz verfügen zu können und entschloss mich daher, die schon lange registrierte Domain Coderwelsh.de für dieses Blog zu nutzen.

Kauderwelsch!

Auf der Domain sollte tatsächlich von Anfang an ein Online-Magazin erscheinen, in dem es eigentlich um merkwürdige Nerd-Spinnereien, wie Transhumanismus und ob Beamen tatsächlich möglich ist, gehen sollte. Bei dem von mir dafür ausgedachten Neologismus handelt sich um eine Anglifizierung des Wortes Kauderwelsch. Mit Kauderwelsh wurde u.a. auch die „Geheimsprache“ Rotwelsch bezeichnet, die z.B. viele Entlehnungen aus dem Jiddischen (Westjiddisch) aufweist. Sie war besonders bei „Bettlern, fahrendem Volk (Vaganten), Vertretern sogenannter unehrlicher Berufe und in kriminellen Subkulturen in Gebrauch“. Ich finde es bis heute nicht unpassend, durch diese Wortneuschöpfung eine Verbindung zum „Coden“ also zum Programmieren herzustellen. Ich empfand die Internet-Dichtung als avantgardistisch und wir benutzten auch alle, mehr oder weniger gut, Programmiersprachen oder was wir dafür hielten und verbanden diese mit der der Kunst des Schreibens (oder was wir dafür hielten). Es war eine Art von neuer Subkultur, die dort entstanden war, und die Blogs waren nichst anderes als unsere vernetzten Fanzines. Wir (ich rede von mir und vermute ähnliches für die Anderen) hatten viel mehr Zeit, über die wir autonom verfügen konnten und nutzten weniger die Tage, als vielmehr auch die Nächte zum Schreiben und Lesen. Auch dies ist jetzt ganz anders und eine nachfolgende Generation, die die Lücke schließt, sehe ich nicht. Das liegt zum einen an der Verlagerung der Mediennutzung wie auch der Inhalte. Heute schickt man lieber schöne Selfies an Freunde und nutzt die Zeit effizient zum studieren, anstatt sich mit sinnlosen Dingen zu beschäftigen. Gerade dies aber ist für mich bis heute ein Grund, all diesen Aktivitäten nachzugehen und weiterhin „die Zeit aus den Fugen zu schreiben“; die Bilder der verhinderten Kunst trotzdem zu malen und die Texte ohne Zielgruppe trotzdem zu schreiben, um nicht gänzlich verrückt zu werden.

Hier der obligatorische Link zum ersten Eintrag am 30.3.2002.

Früher war alles besser wie heute und es ist tatsächlich eine Menge im gierigen Schlund des Mainstream verschlungen worden. Dennoch geht es vorerst weiter, es gibt noch einige Blogs, die weitergeschrieben werden. Ich schreibe nicht mehr so wütende Texte und nicht mehr so wirre Texte, aber die Wut und die Verwirrung und der Wille zum Chaos sind immer noch da und ich hoffe, dass ist dem, was hier passiert, auch noch anzumerken – etwa in Texten wie diesem hier. Die Texte sind bedingt Maschinenlesbar insofern, dass Maschinen, wie etwa Google, sie nicht verstehen. Das zeigt sich an den Suchbegriffen, für die das dumme algorithmische Wesen meint, Relevanz erkennen zu können. Ich befeuere das noch, indem ich Schlagworte wie etwa Luxuskreuzfahrten nutze. Aber ich schweife ab.

Ich nehme mir vor, noch solange hier weiter zu schreiben, wie es für mich Sinn macht. Was vielleicht noch wichtiger ist, hier soll wieder öfter auf andere Blogs und andere Texte hingewiesen werden, abseits der tosend rauschenden Twitter-Timeline. Denn es gibt sie noch, die guten Blogs, die geschrieben werden, weil sie geschrieben werden müssen und scheiß drauf. Is nur Internetz.

Den Gürtel endlich enger schnallen

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Ich war auf der Suche nach kleinen Nägeln, mit denen ich kleine Bilderrahmen, die es für ungefähr drei Euros im Drogeriemarkt gibt, an die Wand hängen kann, denn ich habe festgestellt das es mir gefällt, Dinge in Bilderrahmen an der Wand hängen zu haben anstatt nur so mit der Nadel an die Tapete gepinnt. Ich hatte also schon den Werkzeugkasten durchsucht und den Leinenbeutel, in dem die Sachen zur Radreperatur sind und in verschiedene Schubladen hatte ich auch schon geschaut. Eine der letzten Möglichkeiten war die kleine Steingutschale auf dem Schreibtisch, in der allerlei Wichtiges für die Ewigkeit aufbewahrt wird (ein Türspion, Manschettenknöpfe, ein Fahrradknochen usw.). Auch hier fand ich keine Nägel, dafür aber eine 32MB große Speicherkarte, die in mein Nokia 6230i passt und darauf diese Fotos, allerdings nicht aus der Vorgeschichte der Smartphones, sondern aus dem Jahr 2015. Auch ein Video.

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Das war einer der Abende im Atelier in Linden, an denen wir zusammensitzen, Bier trinken und uns unterhalten. Dabei hören wir Musik, häufig von Kassetten. In letzter Zeit hatte ich oft den Digitalrecorder dabei und wir haben die Demotapes von EX+ digitalisiert. Manchmal reden wir auch ein wenig über Kunst.

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Ich mag die unfertige, nichtperfekte Ästhetik dieser Fotos wirklich sehr. Auch das ist so lange schon vorbei, aber, ich schrieb es bereits irgendwohin und werde es wahrscheinlich auch noch einmal schreiben, es war vorbei, bevor wir auch nur annähernd alles damit ausprobiert hatten, was möglich ist.

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In einer der Schubladen hatte ich am Morgen das Werkzeug gefunden, eine Art Zange, mit der ich ein weiteres Loch in den Gürtel stanzen konnte, anstatt etwa einen Nagel zu benutzen (in dieser größe wären welche vorhanden) und dann ein schlimm ausgeleiertes Gürtelloch hinter all den schön sauber gestanzten, aber für mich nicht gut nutzbaren, Gürtellöchern zu haben. Nun kann ich also den Gürtel endlich enger schnallen, wie es von allerhöchster Stelle verkündet & gefordert wird.

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Der unsichtbare (Elephant)

Wochenlang wusste ich nichts so recht mit dem unfertigen Bild anzufangen. Oben war zu wenig, war es nicht so wie es sein sollte, aber ich konnte weder die weiße Fläche füllen, noch den Bereich übermalen, ohne die große Gefahr, dass sonst sehr schöne Bild (meine Meinung) zu zerstören. Da kenn ich ja aber auch nichts, wenn ein Bild nicht mehr zu retten ist, dann ist es Altpapier oder vielmehr Müll, wegen der ganzen Farbe.

Wie um an das Innere einer Vanilleschote zu gelangen, hatte ich von oben das Stück Kabel, welches beim Lampenaufhängen übrig blieb. der Länge nach aufgeschnitten. Ganz vergessen, wie widerspenstig der dünne Kupferdraht doch ist und wie schnell er zun einem unentwirrbaren Knotennetz gerinnt, wenn man versucht, den Strang aus dem Kabel herauszulösen. So war die Ausbeute dann recht gering, aber brauchbar. Ich fädelte einzelne Kupferdrahtstücke in eine Nähnadel ein und nähte so fünf Kupferdrahtnähte oben auf die Leinwand in die rote Sonne hinein. Dabei bewegte ich mich dann an der Grenze zum Unsichtbaren, in heller Aufregung alles. Zunächst dran gedacht, weil ein Elephant musste es werden, das Bild nach dem Musikstück „Big Elephant Drinks“ zu benennen, aber während die Drahtenden vor den müden Augen vibrierend erschienen und im Licht wieder verschwanden, kam es zu dem jetztigen Titel.

Den Bildausschnitt aus dem Handgelenk genau auf 1208×906 Pixel zugeschnitten. Neulich auf dem Markt auch schon einen Job angeboten bekommen, als ich der Verkäuferin zimelich genau das Kilo Roter Beete anreichte. Die Eltern hatten gestern angekündigt, heute auf die Demo gehen zu wollen, ob dieses Vorhaben nun dem anhaltenden Regen zum Opfer fiel, kann ich noch nicht sagen.