Der Text muss einmal größer! Werden!

Ein weiteres Notizfeld aufgemacht um Dinge zum dritten mal für „Später“ aufzuschreiben, nachdem sie bereits zwei mal im Notizbuch gelandet sind. Aber so genau soll es sein mit der feineren Zettelwirtschaft, es muss Überfluss sein und undurchdringbrares Gestrüpp. Weil wir Fährtenleser sind. Weil uns nichts anderes übrigbleibt, als die Rauchsignale zu deuten und auf Feuer zu schließen.

Dies sind also wieder zusammengetragene Satzfetzen, die der Tag an den Stacheldrähten festgeheftet, die jetzt unsere Telefonleitungen geworden sind. Das werde ich einmal als allererstes tun, ach wie oft dies schon vorgenommen, aber das werde ich nun wirklich demnächst einmal tun.

Am Morgen einen Krawattenpapa gesehen am Moltkeplatz, das Kind und „komm jetzt“ hinter dem her und „beeil Dich ein bißchen“ und ich auf dem Fahrrad. Dann sah es im Wülfel-Stadtteil aus, als hätte Poco Domäne in jede Ecke gekotzt, der Sperrmülltag, der auch einmal ein Fest gewesen, als die Leute noch ganze Klaviere an die Straßen stellten und es des Nächtens bereuen mussten, wir waren gute Pianisten und betrunkene auch noch dazu. Doppelt also deshalb. Im Supermarkt war an diesem (Donnerstag) die Musikrieselanlage ausgefallen: Gleich viel konzentrierter einkaufen gekonnt. Am Mittag die Wohnung besichtigt (a.a.O.), die Frau die Ihr großes Herz an einem Riemen um den Hals vor dem Bauch herträgt, es blinkt mit Dioden grün und orange und Engel malt sie auch bereits: Die fremden Leben, die manchmal einem viel zu nah kommen. Über die Brücke unter der die Güterzüge. Jetzt sind auch die Wespen, die Mauersegler aber schon wieder fort.

Am Abend dann, wo die Eilenriede an den Lister Platz gelangt, eine hippe Sorte Krawattenpapa, ein Kleiner auf dem Kinderrad und „stell Dich mal da hin jetzt“ an der Ampel, mit der hippen Lufthansa-Schultertasche im Retro-Look von Tchibo. So lernt ein jedes was zu tun ist und wo es hingehört, noch ohne Krawatte.

Dein Buch habe ich mit Brombeerfarbe markiert, heute (der übernächste Mittwoch) morgen in der U-Bahn, als ich es im Rucksack mit mir trug. So soll es mich nun immer dran erinnern, an den Tag, nachdem wir zum CocoRosie-Konzert in Bremen waren. Die Recherche, die ich sehr lange mit mir trug und die auch in drei Ländern war, wenn ich es richtig zähle, sieht auch sehr gelesen aus und bearbeitet. Zuvor the Catcher, Olivenöl vom Couscous-Salat und eingerissen an der einen Ecke, eine merkwürdige Ausgabe mit einem herzlosen Dr.-Phil.-Vorwort.

Dazu später.

(Der Montag vor dem Mittwoch) (Aus dem Notizbuch): (2.9.) Im Hotel sind diesmal die Trockenbauer und in New York das gleiche Wetter wie in Bremen, nur ein paar Stunden früher noch, wie die Live-Übertragung der US Open zeigt. Himmel bedeckt mit Wolkendunst. Nachher gleich das Konzert. Hotel am Rembertiring, in der Nacht wird die Uhr vom nahegelegenen ~Stift die Viertelstunde mit einem Schlag geben, die halbe mit zweien, die ¾ mit drei und die volle dann mit vier, gefolgt vom Stundenschlag, der mit einer dunkleren Glocke gegeben wird. Am Abend mit der Linie 3 vom Ulrichplatz aus gefahren, irgendwo nähe Rathaus ausgestiegen. Bei McDonalds „I would do anything for love (but I won’t do that)“, das Allerüblichste also. Darüber tatsächlich froh gewesen.

Die Kesselhalle im Schlachthof, zum zweiten, nach dem wundervollen Notwist-Konzert im Februar 2009. CocoRosie auf der Bühne mit Gärtner und Human Beatbox und dekonstruierender Freakshow-Poesie mit viel Verkleidung und wunderschöner Musik. Der Ort dank der schrägen „Sitzwand“ vor der Bühne und an den Wänden verteilten Balkonen ein idealer Platz für Konzerte, da hier auch tatsächlich das, was auf der Bühne passiert, gesehen werden kann; Der Clown im Gestrüpp und am Strand, ein Socken-Penis, Liveprojektionen von an den Mikroständern angebauten Kameras, die mit schwarzen Balken überschminkten Münder der Sängerinnen, VHS-Standbilder und. Klavier und Querflöte und Spielzeug das Töne hervorbringt.

In wenigen Minuten erreichen wir Nienburg (Weser). Wie man bei den Ansagen im Interregio immer die Klammern um die Regionen mithören kann, auch die Abkürzungen: Oldenburg (Oldb.). Am Rbge. Neben uns auf der Vierergruppe im Zug eine versoffene Alte, die vor sich hinschnarcht, als wir losfahren, dann vom Schaffner geweckt wird und sich nun im Selbstgespräch die Welt wieder zusammenreimt, begleitet von viel Schnaufen und Stöhnen.

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Auf dem Schlachthof-Schornstein das neue Windrad, mit dem, Radio Bremen berichtete darüber, das Kulturzentrum 400 Wäscheschleudern betreiben kann. Gestern nach dem Konzert mit dem Bus 25 zurück, zu Fuß ins Café Engel vor dem Steintor. Für ein stilles Gespräch, bevor wir ins Hotel gehen und noch in ein Tennismatch hineingeraten, das mitten in der Nacht live aus New York kommt. Den nächsten, späten Morgen Frühstück in der Bäckerei schräg gegenüber dem Weincafé, auf der anderen Straßenseite. Der Promotionstand von Ärzte ohne Grenzen, an dem die jungen Menschen gestern langfristig Spender suchten, ist heute verschwunden. Ich erzähle, dass ich von den Hunden geträumt habe, die wir gestern am Nachmittag vor dem Penny gesehen hatten. Dann fotografiere ich einmal die Straße hinunter, im vorbeigehen und aus dem Handgelenk.

DSCN2762DSCN2763DSCN2764Häuser mit verzierten FAssaden, Oberleitungen, grauer Himmel in BremenDSCN2768DSCN2772DSCN2776DSCN2777DSCN2782

Die Straßenbahnen ruckeln über das Kopfsteinpflaster und den Himmel grau, aber kein Regen heute. In einem Antiquariat werden diverse Literaturen zum Thema Tantra und Karma Sutra angeboten, dekoriert mit Barbie und Ken in einer entsprechenden Konstellation, die enttäuschende Liebe der Plastic-Figuren. Dazu ein Ausstellungskatalog aus den späten 70ern über die Architektur der 20er Jahre d. l. Jh., ein Prachtband „Germania“ sowie das Bremer Telefonbuch von 1962. Am Platz, an dem sich die Straße aufgabelt in Sankt-Jürgen-Straße und Am Schwarzen Meer, welch wundervoller Straßenname das ist, nehmen wir die 10 zum Hauptbahnhof. Uns gegenüber darin eine Frau mit silbrig-violettem Haar, dann in den Zug (und nun bereits wieder bald Zuhause). Aber was, wenn „später“ „nie“ bedeutet?

Fragmentarisch

Gestern in der Mittagspause einen Mäusebussard gesehen und einen Storch. Am Abend lief ein Eichhörnchen über die Straße, auf der ich mit dem Fahrrad nachhause fuhr. Gestern eine Aufnahme gemacht von den Zügen, die hier vorbeifahren, denen ich tagaustagein zuhören könnte, zwei Häuserzeilen hinter der Firma die

Den Dienstag am Emmichplatz gewesen, dann mit einer der besten Buslinien, 200, zum Moltkeplatz gefahren. Verschiedene Gerüche von Zitronenseife. Am Treibhaus vorbeigefahren, in Gedanken, die nicht wiederkehren. Dann zu einem Supermarkt gelaufen, es ist warm und vor der Tür liegt ein Hund platt auf dem Boden. Ein Mann kommt aus dem Laden, sagt „Dir ist ja warm, ne?“ zu dem Hund, der ihn nur mit den Augen ansieht, von unten. Fotos gemacht von diesem Hund, Plakaten für politische Vorträge und (unpolitische) Malkurse, einer Schuttrutsche.

Den Mittwoch beinahe in der Maschine eingeschlafen, nur noch die Beine schauen hinaus in die weite Welt.

Den Donnerstag, der Mann in der Bahn, mit seiner Frau als Begleitung, beständig den Kopf schüttelnd, darauf eine Mütze mit Marine-Emblemen.

Die große Hitze scheint vorüber, gut überstanden all das, kleine Ventilatoren am Abend in den Fenstern, der Sturm hat am Kanal eine Weide umgeworfen, als wir den Freitag dort waren, da war sie abgesägt und die Sonne schien mir auf den Nacken zur Seite. Kleine Schwäne am Ufer, die Jungen kommen und vertreiben sie, oder es ist weil an der Brücke gefüttert wird, sie schwimmen dort hin. Dann angelt ein Junge, es wird nicht so recht, zu ungeduldig ist er noch und die Leine verheddert sich in der Uferböschung Gestrupp. Später springen sie von dort aus wo sie sind in das Kanalwasser. Eine Abgrenzung der kleinen Entenbuchtung, die dort ist, ganz von Wasser bedeckt, so sieht es ein wenig aus als würden sie über das Wasser laufen können. Sie sind vom Sommer ganz braungebrannt und den ganzen Tag draußen, dass man froh darüber sein kann. Sehr heiß ist dieser Freitag gewesen, aber es ist eine so trockene Hitze, dass wir es gut draußen aushalten. Vom Freiband kommt die Durchsage das nun geschlossen wird, am Abend um Acht.

Der Samstag auf dem Markt, Stachelbeeren Blaubeeren Johannisbeeren.

Nachher vielleicht einmal die Ton-Aufnahmen von den kürzlich unternommenen Reisen anhören. Es eilt alles nicht so sehr. Es verdichtet sich zuweilen etwas, auch herrscht ein Mangel an Gelegenheit, die Erlebnisse rechtzeitig zu notieren, so gerät vieles in die Vergessenheit. Bunte Träume: Ich bin ein Taucher und soll etwas aus einem versunkenen Frachtkahn bergen, der in der Gracht liegt. Es wird erzählt, dass die Leute noch eine Woche lang dort eingeschlossen waren, aber in einem Raum sich aufhielten, in dem kein Wasser eingedrungen war. Das Dach des Schiffes befindet sich einen Meter unter der Wasseroberfläche. Ich tauche kurz dort hinein und schwimme durch ein Fenster ins Innere, wo ich ein kleines Mädchen treffe, das eine Schatzkiste in den Händen trägt. Sie erzählt mir, dass sie den Sauerstoff, den sie zum Überleben braucht, aus den Geldscheinen bekommt, die in der Kiste sind und hällt sich einen Geldschein vor den Mund, dann bin ich in einem Zug, wir sind in einem Zug, wer auch immer wir jetzt sind, an einem Bahnhofskiosk kaufe ich eine Packung „Chewing Gum“, ich kaufe es auf Französisch, ich nehme also an, wir sind in Frankreich unterwegs und ich sage auch „Schuuing Gomme“, natürlich, mit kaum hörbaren E.

Jetzt blüht der Raps, die

 ganze Stadt riecht so am morgen, als ich aus der Tür trete, reibt sich der Ölbauer die schmierigen Hände in Unschuld, kann man Geld nicht Essen, aber wenigstens mit Essen Auto fahren. Heute am Morgen, als ich zur Bahnstation lief, einen Kohlelaster in einem rußig-grauen Ultramarinblau gesehen, der die Ladefläche voll hatte mit Kohlesäcken aus Jutestoff. Aus einer anderen Zeit ist der gefallen, aber es wundert mich garnicht, die große Straße ist nicht sehr zuverlässig, was ihre Begrenztheit und Verortung betrifft. Von drei Sorten Schnee geträumt. Der Schnee im Garten des Elternhauses, der trotz des Frühlings immer noch dort lag. Wir alle wissen was mit ihm ist. Der Schnee auf der Limmerstraße, den türkische jugendliche als Fussball nutzen statt Coladosen, der fallende Schnee (im kleinen Park beim Schwimmbad). Beim Systembäcker kaufe ich, wie jeden Morgen, zwei Schokocroissants, ziehe den Fünfer ungeschickt aus der Tasche so er einreißt, gleich sagen //Upps ich mache ja das Geld kaputt//, gleich denken //macht kaputt, was Euch kaputt macht//, die Systembäckereifachverkäuferin sagt //kein Problem ich reparier schnell// und schon hat sie den Tesa-Film gedreht. Etwas weiter weg von hier, ich radele dorthin in der Mittagspause, wie ich immer wegfahre, neben den Bahngleisen, ist das die Gegend, in der die Panzerknacker wohnen, in einem Wohnwagen neben einem großen Busch. Es fehlt ja nur noch der Schornstein an der Seite hinauskuckt, aber den denke ich mir mit Leichtigkeit dazu.

In der Bahn (und es ist ein regnerischer Morgen im April) beginne ich in der EDIT zu lesen, die ich neulich schnöselig im Bahnhofs-Pressehandel gekauft habe, noch dazu mit einer Leder-Umhängetasche über der Schulter, das nimmt Formen an. Zunächst etwas skeptisch, als ich Zuhause darin herumgeblättert habe und die Leipzig-Verbindung bemerkte (Zugegen! es ist das erste Mal, dass ich diese Zeitschrift lese!) und Schreibschulen-Formate zwischen Droge und Bausparvertrag witterte, aber da ist ein Gedicht von von Lowtzow, dem König von uns Schnöseln aus Nachlässigkeit und dann auch noch die erste Geschichte, in der die Krähen eine Hauptrolle spielen, dass hat mich gleich für das Blatt eingenommen. Zwischendrin die Albernheit, dass war nicht so meins, aber die tollen Gedichte //Noms de Guerre// von Vesna Lubina, //Es gibt keine bellenden Hunde mehr// von Maarten Inghels und //Die Drift// von Margarita Iov, ein Text der einen Gedanken formuliert, der gut dazu passt was hier gedacht wurde beim Einfall des Mottos, //Die Zeit aus den Fugen zu schreiben//, der Satz steht auf S. 85 unten und es geht um den Urknall, dass der noch nicht zuende ist und der Raum in der Zeit auseinanderdriftet und mit ihr auch. Zwar wird nicht ganz klar, ob und wer in der Geschichte verrückt ist.

Leute reden auf 3 verschiedene Arten mit sich selbst. Da ist der manische Rapper, in der Ecke der langen Bank sitzt er, hat ein verzerrtes Gesicht und bewegt auch ruckartig den Oberkörper vor- und zurück, vor- und zurück, ~, wobei er seinen Rap macht, dann ist da der sprittige Zischer, in derselben Bahn, der, ganz leise nur, böse Worte in vor sich hinmurmelt, beide in derselben Bahn und so gestellt vom Schicksal, dass sie sich wohl sehen und hören können, dies aber nicht tun. Am Abend dann der Weißhaarige mit der Plastiktüte, der sich mit sich selbst bespricht und die zweite Stimme klingt als würde ein Papagei ihm antworten, ich hoffe er hat nicht eine unserer Tauben vom Dach sich geangelt mit seinem Tür- und Angelschein aus der Zeichentrickkiste, was es erklären würde.

So schreibe ich am Abend mit fliegenden Fingern die Tage wieder ins Reine, die Schnellnotizen in die große Schreibmaschine hinein.

Am Abend als ich in die Küche komme, dort landet auf dem Balkon gerade eine Krähe im Streit mit ein anderer Vogel auf dem Korb in dem die Äpfel sind, ich mache schnell die Tür auf und der andere Vogel hinfort fliegt, die Krähe sie bleibt, ich fürchte sie hat den Flügel zerbrochen und stehe ganz still, mache die Tür ganz leise zu und stehe ganz still in der Küche, still, ~, nun weiß ich nicht und mir wird warm im Gesicht, schließlich überlege ich sie mit Sonnenblumenkernen zu bestechen und als ich aber die Tür ganz leise wieder öffne, fliegt sie schon hinfort und eine Elster mit der sie sich zankt in der Nachbarschaft. Ich mache dann den Reis warm, in einem Sieb über Wasserdampf, dazu Tomatensoße aus dem Glas.