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Graustufiges Foto vom nebeligen verschneiten StrandEine Woche hinaus gewesen an ein Ende der Welt, das an Tagen auch nah genug war, es zu fassen und von ihm angefasst zu werden. Was dort war, steht in meinem Notizbuch. Der Strand ist an jedem Tag anders. Norderney

Keine Zufälligkeit

Genosse Zufall

 

Sondern es ist auch egal. Dieses schöne Schriftwerk [Denn es ist ein Produkt eines Systemfehlers] [Wie es auf sich selbst hinweist] habe ich vorhin mit einer grünen Heftzwecke an der Wand befestigt, neben einem Ausdruck einer Ölkanne. Dort wird es nun die nächsten 5 Jahre hängen, zumindest aber bis zur nächsten Woche. Am Wochenende (dem letzten) einen kurzen dokumentarischen Film (was sich also von einem Abend auf der Speicherkarte befand) zusammengeschnitten und mit Musik. Ich werde weder verraten worum es geht noch ihn hier zeigen. Wo ist mein Notizbuch. Darauf ist ein Vogel abgebildet, der in einer Sprechblase „Notes“ sagt. Die kleinen Kohlmeisen, die in einem Nistkasten neben meinem Zimmerfenster die letzten zwei Wochen, sind nun auch flügge und hüpfen im Hof von einem Zweig zum nächsten. Da stehe ich dann auf dem Balkon und hänge die Wäsche auf. Ich bin dann mal wieder weg. Bis in zwei Wochen oder Übermorgen oder 5 Jahren.

Vorgestern, Gestern und Heute

So vieles wäre noch aufzuschreiben dagegen, es bleibt außenvor, im Notizbuch oder in einer offline-Datei weil es geheim ist (möglicherweise): Nur dies:

[Vorgestern]: Am Abend, auf dem Weg zu einem Treffen im Hinterzimmer, den Erinnerungen zu dem Geruch dieses ersten Frühlingstages hinterhergejagt und nachgegangen, der, das ist die Wahrheit, auf so viele vergangene Momente zu passen schien, das einem schier schwindelig werden konnte. Wie sich alles zusammenballte und dennoch nicht zu greifen war. Da soll man doch mal losprusten vor Lachen und Frühling, der schon am Tage zu erleben gewesen: In der Eilenriede, eine kurze Pause während der Arbeit: Ein Elektromeißel, dann Klaviere und Vögel und alles vermischt und der Verkehr noch dazu, man kann es hören.

[audio:http://fabe.podspot.de/files/2010-03-18_elektromeissel_klaviere_voegel.mp3]

(Und auch am Abend: Das Licht! Die Dame im Barockenen Gewand an der Marktkirche, die Marktleute wie sie ihren Stand abbauen.)

[Gestern]: An gleicher Stelle im Wald gesessen. Zuvor bemerkt, wie geschäftig die vom Winter dünnen Krähenvögel auf der Suche nach Futter sind im toten Laub: Ein mageres Eichhörnchen läuft auch über den Weg. Es kommt jemand vorbei, während ich mit Dir telefoniere und von den hungrigen Tieren berichte, geht zunächst vorbei, als ich aufgelegt habe dreht er um und fragt mich, er würde ein Kunstprojekt machen, ob er mich fotografieren dürfte, und zwar mit diesem Stoffkaninchen, worauf er mir ein zottiges Plüschkaninchen zeigt. Ich willige ein, bin leider zu überrascht nach einer Adresse zu fragen, geschweige denn zurückzufotografieren, auch die Siezerei irritiert mich (ist nun aber wohl nicht mehr zu vermeiden). Ausgestellt werden die Bilder nicht, wenn aber jemand etwas weiß über dieses Kunstprojekt? Das Kaninchen hat wohl einmal aus versehen etwas schwarze Farbe abbekommen.

[Heute]: Mit Dings vom Dings im Teestübchen getroffen, und K. war auch dabei. Das man sich immer erst 10 Minuten wieder kennen lernen muss, wo doch die Zeit eh so knapp ist. Über Bücherschränke, Hosentaschen und Zukunftspläne gesprochen, K. zeigt noch schnell das Spiel mit den Vögeln und den Schweinen auf dem IPod und die Zeit ist schon vorrüber. Am gegenüberliegenden Tisch ein finnisches Rentner-Paar, so eine schöne Sprache obwohl der Winter ja vorbei ist nun!

[Aus dem Notizbuch]

(Nachgetragen vom 12.10.2009) Es ist wieder dieser Tage, der Himmel angefüllt, der Hinterhof mit Schatten, die Büroarbeit ein seltenes Vergnügen (auch: und das ist merkwürdig: im bohnenwächsernen Raum 201 Conti zu sitzen, von einer Säule halb verdeckt und dort zu sein, im Seminar) wo ich nicht mehr hin gehöre. Zu viel Vergangenheit für dieses kurze Leben. Die Mädchen zeigen sich ordentlich geführte Hefte indifinen Inhalts und „kuck ma wie orntlich“ sagt die niedersächsische Kartoffelschnute + die eine erzählt „Da gibt es so eine Theorie mit 23 das die immer wieder überall vorkommt das ist tatsächlich so wenn man darauf achtet“ + dann fürchten sie sich kollektiv vor dem Dozenten „weil der so streng ist“. Heute wird ein andalusischer Hund Gassi gegangen zum 1500387sten mal und ich freue mich im Geheimen schon auf einige Einstellungen, so ist es dann auch gekommen.

In der Caféteria, wo ich mir in der Pause einen Milchkaffee hole, hingegen N24 auf Beamer und auf dem Pappbecher Werbung für PriceWaterhouseCoopers.

Nachgetragen vom 30.9. / Arbeit / A4

[Aus dem Notizbuch abgeschriebener Eintrag vom 5.10.] „Nur heute Sonderverkauf Mark Schantal Lederwaren kaufen Sie eine Handtasche für 10 oder für 15 Euro eine Geldbörse bekommen Sie für 5 €uro nur heute der Lederwaren-Sonderverkauf in Ihrer WULLWORT-Filiale“ (Per Lautsprecher nach draußen übertragen in die Fußgänger-Zone, vor der Tür wartet ein Rüttel-Auto (Rot + Aufschrift „Fire Dept.“) sehnsüchtig auf Publikum und Münzen).

Verkaufsoffener Sonntag…

… [Nachtrag aus dem Notizbuch, 4.10.2009] Bei Lidl im HBF eine viel zu teure weil falsch ausgezeichnete Glühbirne gekauft. Station HBF, das Mädchen mit dem stumpfen, fuseligen Haar, ½ Liter Starbucks Pappbecher vor sich tragend und eine Tüte Aufschrift „I ♥ FOREVER 18“, mit ihrer fetten und ihrer hübschen Freundin sich über das gemeinschaftliche Shopping-Erlebnis austauschend, die Stumme ist auch dabei, sagt aber nichts. In der vollen U-Bahn transportiert ein Paar einen Bürodrehstuhl mit gepunktetem Muster an welchem ein Zettel klebt: „Nimm mich mit!“: Beim Ausstieg Vahrenwalder Platz verheddern sie sich in der Tür. Dragonerstraße: Vor der Änderungsschneiderei, in der auch Heute gearbeitet wird, wie ebenfalls am gestrigen Abend, steht ein Fahrrad, auf dem Gepäckträger mittels Gummistrippen befestigt verschiedene Dokumentemappen. Eine Straßenecke weiter sind die beiden Schlafsäcke, die beim Sperrmüll lagen, verschwunden. Gestern Abend dachte ich bereits so etwas, es ist der Fußweg zum Männerwohnheim.

Am 30.9. während der Arbeit auf ein Stück Schmierpapier:

[Nachtrag aus dem Notizbuch vom 1.10.2009] Gestern vor der Sparkasse der Mann, gut sitzender Anzug, von der Stange zwar, einen Arm angewinkelt vor der Brust vor sich hertragend, eine Hand und Unterarm leicht nach hinten abgespreizt (wie etwa ein Dienstbote im Frack, den Flügel im Ansatz zum Bückling gleich nach hinten wegwedelnd), dazu ein Gesicht zu Markte tragend wie eben eine Mischung aus Schwiegersohn und Berlin, Alexanderplatz (ungelesen!), Zeige- und Mittelfinger jedoch streichen beständig über die Seite des Ringfingers und zur Handinnenfläche hin,: ein angerissener Nagel im besten Falle, ein neurotischer Tick oder gar die Geldzählerkrankheit.

zur blauen stunde

(24.2.) in der stadt unterwegs gewesen, die hildesheimer von höhe geibelstraße hinauf bis zum aegidientorplatz. ein licht, das die strassen so schön erscheinen lässt, man glaubt dann gleich weinen zu müssen. fotos gemacht von der stadtbibliothek: wie dieses photographieren ein vorwand ist, zu verweilen und nicht zielgerichtet zu sein, denn schliesslich, man tut ja etwas. aber eigentlich: schaut man ja nur. die häuser hinauf und die straßen hinunter. mich erinnert, wie die stadtbibliothek immer der ort gewesen ist, an dem ich mir neuen stoff besorgen konnte, mindestens einmal pro woche war ich dort, mit dem fahrrad oder mit der u-bahn, auf dem weg von der schule nachhause, glücklicherweise war sie so gelegen. wie toll ich das fand, dass ich mir dort einfach bücher ausleihen konnte, zu einem symbolischen beitrag von damals 15 mark pro jahr. wie ich die stadt nun wieder einmal neu entdecke, neue orte sehe an den altbekannten, jetzt da ich auf wohnungssuche bin, die straßen dann auch mit anderen augen sehe. in städten, in denen ich nur tourist bin, sehe ich manchmal die straßen auch so, wie man sich vorstellt, ob man hier jetzt leben könnte, ich bin erstaunt das es hier ein wenig so ist, froh darüber das es so ist. ebenfalls ein paar fotos von ausblicken gesammelt, die ich hier noch einmal zusammenfassen möchte. später.

und gestern vor einer woche kam ich aus bremen zurück, ich erinnere mich, das notizbuch erinnert sich: wie auf der rückfahrt die sonne die ganze zeit über unentwegt am versinken war, als wir in hannover ankamen jedoch war noch ein dunkelgrüner streifen übrig, denn so lange dauert eine dämmerung, eine stunde und eine halbe, wohlmöglich. the notwist spielten dort, im schlachthof, was eine mehr oder weniger gelungene location ist. gut gedacht war, mehrere galerieen und balkone einzubauen, den raum mit einem amphitheaterähnlichen zuschauerraum zu versehen. diese balkone hängen einem aber auf vielen plätzen auch in das sichtfeld hinein, man sieht ebenfalls nicht, ob auf einem balkon am ende hinter all den leuten, die dort bereits sind, noch platz ist. das koncert war nämlich sehr gut, wir hatten auch einen guten platz gefunden dann. ich kann mir ja weder schauspieler- noch bandmitgliedernamen ganz schwer merken, der keyboarder/knöpfchendreher hatte zwei wii-sticks zur gerätebedienung, war show für’s digitalitäten-affine publikum. lange versionen haben sie gespielt, beim videoverleih um die ecke gibt es ein paar ausschnitte zu sehen. (pilot / good lies / neon golden / gloomy planet) und genossen habe ich es tatsächlich, den weg zurück zu fahren inmitten der dunkelheit und der kalten nacht, zu frieren und dann ein stück weit an der weser entlang, über die brücke, dann saßen wir noch in der küche und haben geredet, elternhäuser und kindheitsträume.

(25.2.) heute, also jetzt. morgen (vor einer woche) für einen tag im krankenhaus gewesen. am anfang: ziehen sie eine nummer, dann bemerkt wir müssten keine nummer ziehen. die lotterie geht an uns vorbei. jackpot. wie wir dort waren, der gang und all das, die gestalten, denn viel mehren waren sie nicht, die menschen mit ihren verbänden insbesondere auch um die nase, die sich eingefügt haben in das system krankenhaus, dafür hat neusprech noch kein besseres wort gefunden, dem allgegenwärtigen euphemisieren (schönsprechen) tribut zu zollen. eine welt, begrenzt von bunt gestreiften vorhängen; in ihre schranken verwiesen (grüne, blühende, pollenflug). (wir werden das system durchschauen). (usw.)

ein tag von 8 uhr bis 16 uhr im krankenhaus. das ist lange genug, um sich krank genug zu fühlen (und auch wenn man eigentlich nicht wirklich, momentan) und die frische, kalte luft zu umarmen, mit weit geöffneten lungenflügeln, wenn man dann am nachmittag diesen ort wieder verlässt. und es hat sich platz gemacht in meinem leben, all diese konsultationen usw. sie stellen sich das bestimmt einfach vor, was es nicht ist. der befund war negativ, immerhin.

wie du dort mit mir gesessen hast, und wie der mann dort mit uns im zimmer gewesen ist, der immer brei essen musste, alle stunde eine schale kleie, mit einer brille die die sicht versperrte auf die schale, wie er sich dann manches mal (ein um das andere mahl) im gesicht grün oder rot verfärbte. stop and go. und wie wir dann im aufenthaltsraum den king of queens angesehen haben, und die nasenverbände reinkamen und sich über ihre wunden austauschten. in einer altmännersprache. und wie du überhaupt immer mit mir gehst, alle wege, die leichten und die schweren.

die zärtlichkeit der ostblockstädte

ein menschen +
leerer platz +
wo dort eine lücke
war steht jetzt:
ein haus: im büßerhemd:

(dieses gedicht sollte eigentlich ganz anders sein, bemerke ich: es fiel mir ein, die fragmente, als ich heute auf den zugefrorenen wegen unterwegs: es fällt mir auf, ich sollte das notizbuch, welches ich (beständig) mit mir herumtrage, tatsächlich nicht nur für vereinzelte worte nutzen: allein es schreibt sich so schwer, wenn die tinte auf der feder gefriert. heute zum allerersten mal die neuen schuhe den ganzen tag getragen, sie sind jetzt soweit trainiert; und als ich an der fabrik entlangging, auf dem weg zum schuhmacher, der liebsten neu beabsatzte stiefel abzuholen mit diesem abholschein (allein dessentwegen ich noch einmal einen auftrag dorthin geben muss, um diesen (dann jeweils einen anderen) schein dann einzuscannen, ein relikt), überkam mich wieder einmal dieses gefühl für die schroffe zärtlichkeit der ostblockstädte, die es nicht mehr gibt: und überhaupt alles).