In den Tümpeln

Über Bienenstich nachgedacht, weil der Kollege M. gestern welchen in die Teeküche gestellt hat. Der Kuchen hat mir Angst gemacht, weil Worte einen großen Zauber auf mich ausgeübt haben, in der Kindheit (sie tun es ja heute noch) und ich den sehr leckeren Kuchen mit dem Honig und den Mandeln und dem Pudding, den es, so erinnere ich es jedenfalls, bei der Großmutter oft gab, nicht mit dem dazu in absolutem Gegensatz stehenden Schmerz in Verbindung bringen konnte, den ein Bienenstich wohl hervorrufen würde. Tatsächlich bin ich erst Jahre später einmal von einer Biene gestochen worden, was so unbedeutend war, dass ich mich nicht mehr an Ort und Zeit erinnern kann, aber daran, wie ich mich vor dem Wort gefürchtet habe, dass immer wieder als ein Name für Kuchen zu mir kam. Ich würde gerne einmal die Oma fragen, ob ich mich vielleicht auch geweigert habe, den Kuchen zu Essen, aber das geht leider nur noch im Traum und ich bezweifle, bei den wenigen Gelegenheiten, zu denen wir uns sehen, daran zu denken. Vielleicht das jemand anders etwas weiß. Am Sonntag einmal nachfragen.

Verschiedene Schilfgräser in der letzen Zeit gesehen, es mag vielleicht auch schon zwei Wochen her sein. Zunächst sind mir, als ich morgens aus dem Busfenster blickte, die Schilfgräser vor einem eingeschössigen, orange angestrichenen Haus aufgefallen, exotische Grassorten mit sehr hohen Halmen, die so manchen, mich allerdings nicht, überragen dürften. Die Blütenstände trugen ein feines, weißes Grau. Am selben Morgen, nur ein paar hundert Meter weiter dann das Schilfgras, welches in der Bäckerei an der Station „Vier Grenzen“ als Sichtschutz, am Rücken der Sitzbänke, in kleinen Beeten steht. Solche Reetgräser standen an den Tümpeln in dem Neubaugebiet, allesamt vollgelaufene Baugruben, in dem ich einen Großteil meiner Kindheit verbrachte. Einen kleineren Teil davon auf Flößen oder leeren Öltanks auf den Tümpeln und einen noch kleineren Teil zumeist unfreiwillig sogar in den Tümpeln. Das Reetgras in der Bäckerei jedenfalls hatte die Blüten in dieser dunkelbraunen Farbe, ich fand besonders die fellige Beschaffenheit dieser Blüten immer sehr schön. Wenn man einen der Halme abbrach, was wir eigentlich nicht machen sollten, da die Gräser wohl unter Naturschutz standen, konnte man den Halm herumtragen und über die fellige Blüte streichen. Naturschutz hin oder her, es wurden letztendlich doch Häuser gebaut auf den Tümpeln. In der Bäckerei habe ich keinen der Halme abgebrochen und mitgenommen. Dann, am Tag, als die Verkehrsbetriebe gestreikt haben, bin ich einmal mit dem Rad zur Arbeit gefahren. Auf dem Rückweg Rückenwind und die Gräser am Kanal, hier ungefähr Höhe Hinrichsring.

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Der Weg mit dem Fahrrad zum Firmensitz in der Enflugschneise jedenfalls, dazu später vielleicht mehr. Ich hatte eigentlich vor, K. diese Strecke zu beschreiben, vielleicht kann ich dann einen Teil des Briefs auch hier einstellen.

So ist es jetzt wieder wie immer mit dem Schreiben, es muss nur einen Anfang geben, dazu ist der geringste Anlass gerade ausreichend und dann kommen die Worte aus den Fingern gefallen, als wenn es kein Morgen gäbe, was immerhin möglich ist.

und nun geh ich fernsehn..

Wir saßen dann evakuiert im Elternhaus

Gestern und heute waren wärmere Tage, aber ansonsten war es ungewöhnlich kühl arschkalt in der letzten Zeit. Die Heizung musste immer wieder laufen. Habe die Vermutung, dass der Golfstrom jetzt doch die Richtung wechselt oder kälter wird und aber niemand es für nötig befunden hat, dies einmal zu thematisieren, geschweigedenn. Heute wieder einmal in der Gegend Lister Damm / Pelikanviertel usw. gewesen. Am Immengarten (und das ist wirklich einmal ein sehr schöner Straßenname) sind, von mir bisher unbemerkt, neue Häuser entstanden, wie sie jetzt überall gleichförmig gebaut werden, mit herausragenden kubischen Balkonen und einer Struktur verschobener Quadern. Tetris-Moderne. In Bremen und Hamburg und wo auch immer bereits ähnliches gesehen. Es sind jedenfalls weitere Beweise dafür, dass die Stadt immer dichter bebaut wird und die Lücken sich schließen.

Immer, wenn ich solche Zäune sehe, die an Brachen oder Baustellen angrenzen, dann muss ich daran denken, ob dies ein guter Ort für die Diskettenkunst „a.a.O. (1)“ wäre, die eben leider doch nicht an den nächstbesten Maschendrahtzaun gehängt werden kann.

Das hier jedenfalls ist noch ganz neu und mit Sicherheit werden sich die schönen, glatten Menschen hier wohlfühlen, für die diese Bauwerke errichtet wurden, während sie im Internet nach Achtsamkeitsseminaren googlen, weil sie so eine Leere im Innern verspüren. Zwischen Podbielskistraße und Mittellandkanal aber, mehr in Richtung Mittellandkanal, gibt es sehr viele Kleingärten, in die ich auf dem Rückweg von meinem Termin kurz reingerate, in der Radellaune, in der ich mich befinde. Ein Wegweiser zeigt „Zum Zahlengarten“ an, den ich aber leider nicht entdecken kann. Auch kann ich mir darunter nichts vorstellen. Erinnere mich gerade an das Déja Vu, dass ich hatte, als ich das letzte Mal in genau dieser Straße gewesen bin, bzw. wiederholte sich dieses gerade oder setzte sich fort. Sie kennen das.

Sie haben vielleicht von der Bombenentschärfung vor ca. einer Woche gehört. Auch dort, wo das nun verkleinerte Busdepot war und davor noch ein Straßenbahn-Betriebshof, Wohnungsbau. Dagegen ist jedoch eigentlich nichts zu sagen, die Menschen müssen wohnen und jedenfalls ich möchte hier keine Hamburger Verhältnisse haben. Wir saßen dann evakuiert im Elternhaus am Stadtrand und lasen in regelmäßigen Abständen auf den Handies, wie es um die Dinge stand. Sobald es etwas Neues gab, erzählten wir uns davon, sprachen auch sonst darüber, wieviele Bomben es wohl noch gäbe in der Erde, wie die Oma einmal ein neues, weißes Kleid anhatte und dann in den Luftschutzkeller musste, usw. Ich habe aber auch, zumindest teilweise, den Wikipedia-Artikel über Amseln gelesen und erzählte auch davon. Am Morgen nämlich eine Amsel gehört, wie sie vor dem Fenster sang, natürlich ein ganz anderes Lied als der Vogel in unserem Baum. Eine Zweite antwortete jedenfalls, ein ganzes Stück entfernt, mit eigentlich garnicht zu unterscheidenden Wiederholungen des jeweils vorangegangen Melodiestückes. Das nennt sich Kontergesang und der jeweilige Vogel möchte damit zeigen, dass ihm der Baum gehört.

Dies ist ein Film von dem Busdepot, aufgenommen am 17. November 2011. Sehr vieles, was dort zu sehen ist, ist nun verschwunden: Die Bahnschienen, die immer noch im Kopfsteinpflaster lagen, die Häuser, das Kopfsteinpflaster selber und das gelbe Licht der Laternen. Die Laternen selber. Tunken wir doch den Kupferdraht tiefer in den Äther ein vergewissern uns, dass es einmal eine Vergangenheit gab.

[If the birds are united]

Amsel in der Kiefer from fabe on Vimeo.

Amseln wohnen im Hinterhof (und im Vorgarten, sitzen sie in der Kiefer, etwa) sowie auch Meisen, die jedes Jahr eine Nistbox aufsuchen, die an der rechten Außenwand des verglasten Nachbarbalkons angebracht ist. Außerdem ein Elsternpaar und ein Paar von Eichelhähern mit ihrem lautlosen Flügelschlag. Ringeltauben sowieso. Auf den Schornsteinen des Hauses gegenüber sitzen regelmäßig verschiedene Dohlen. Wenn eine Krähe sich in den Hinterhof hineinwagt, dann tun sich alle Vögel zusammen und versuchen, sie zu vertreiben, die Amseln, die Eichelhäher, die Elstern auch und ich meine wohl sogar die kleinen Meisen (unterstützen zumindest durch laute Warnrufe). An manchen Tagen setzt sich sogar ein größerer Raubvogel auf den Ast der Birke und hat dann Mühe, wieder aus dem Gezeter herauszufliegen, welches um ihn herum anhebt.

Nur welcher Raubvogel ist das?

 

Den Gürtel endlich enger schnallen

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Ich war auf der Suche nach kleinen Nägeln, mit denen ich kleine Bilderrahmen, die es für ungefähr drei Euros im Drogeriemarkt gibt, an die Wand hängen kann, denn ich habe festgestellt das es mir gefällt, Dinge in Bilderrahmen an der Wand hängen zu haben anstatt nur so mit der Nadel an die Tapete gepinnt. Ich hatte also schon den Werkzeugkasten durchsucht und den Leinenbeutel, in dem die Sachen zur Radreperatur sind und in verschiedene Schubladen hatte ich auch schon geschaut. Eine der letzten Möglichkeiten war die kleine Steingutschale auf dem Schreibtisch, in der allerlei Wichtiges für die Ewigkeit aufbewahrt wird (ein Türspion, Manschettenknöpfe, ein Fahrradknochen usw.). Auch hier fand ich keine Nägel, dafür aber eine 32MB große Speicherkarte, die in mein Nokia 6230i passt und darauf diese Fotos, allerdings nicht aus der Vorgeschichte der Smartphones, sondern aus dem Jahr 2015. Auch ein Video.

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Das war einer der Abende im Atelier in Linden, an denen wir zusammensitzen, Bier trinken und uns unterhalten. Dabei hören wir Musik, häufig von Kassetten. In letzter Zeit hatte ich oft den Digitalrecorder dabei und wir haben die Demotapes von EX+ digitalisiert. Manchmal reden wir auch ein wenig über Kunst.

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Ich mag die unfertige, nichtperfekte Ästhetik dieser Fotos wirklich sehr. Auch das ist so lange schon vorbei, aber, ich schrieb es bereits irgendwohin und werde es wahrscheinlich auch noch einmal schreiben, es war vorbei, bevor wir auch nur annähernd alles damit ausprobiert hatten, was möglich ist.

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In einer der Schubladen hatte ich am Morgen das Werkzeug gefunden, eine Art Zange, mit der ich ein weiteres Loch in den Gürtel stanzen konnte, anstatt etwa einen Nagel zu benutzen (in dieser größe wären welche vorhanden) und dann ein schlimm ausgeleiertes Gürtelloch hinter all den schön sauber gestanzten, aber für mich nicht gut nutzbaren, Gürtellöchern zu haben. Nun kann ich also den Gürtel endlich enger schnallen, wie es von allerhöchster Stelle verkündet & gefordert wird.

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Nuss-Nougat-Creme drauf

Heute für ein Gespräch ausgerechnet zur Stockholmer Allee gefahren. Auf dem Hinweg eine Rezension des Buches „Futur II“ von Ja, Panik in der Zeitschrift Volltext gelesen. Ein Philologe schreibt hier schlaue Dinge dazu, die ich vermutlich auch richtig finde (nur dass der E-Mail-Roman auch nichts wirklich Neues mehr ist, seisdrum), nutzt aber auch gleichzeitig, ganz ungezwungen seiner Natur folgend, die Gelegenheit sein vielfältiges Wissen schön glänzen zu lassen. Wie es schön funkelt. Alles in allem, dafür hat sich der Kauf neulich jedenfalls gelohnt, Heiner Müller nochmal!

Zu zu früh da gewesen, daher noch Fotos gemacht. Wie die Schnurverschlüsse an die Fahnenmasten anschlugen. Später der Regen auf dem Feld.


Seitdem ich nicht mehr dort arbeite, lese ich leider viel weniger, dafür waren die langen Bahnfahrten immerhin zu gebrauchen. Auf dem Rückweg noch ein paar Stationen weiter Stadteinwärts ausgestiegen, um auch hier einige Aufnahmen zu machen. Ein Text dreht sich um diese Gegend, dafür brauchte ich noch ein Bild. Die Namen der Straßen heißen etwa Goldrutenweg oder Ehrenpreisweg! Ich habe in den 10 Minuten zwischen zwei Bahnen 13 Fotografien angefertigt.

Am Aegi in der öffentlichen Toilette wiederholtes Klicken eines Elektrofeuerzeugs in einer der Kabinen.

Als ich bei uns aussteige, gehe ich noch zum Bäcker. Ganz in Gedanken erscheint mir der Weg plötzlich sehr lang, dann fällt mir ein, dass ich sonst ein paar Meter weniger laufe, wenn ich am Morgen aus der Haustür komme. Kaufe dann Croissant statt Kuchen und schmiere am Küchentisch Nuss-Nougat-Creme drauf.

Dann hab ich vor ein paar Tagen dem Eieruhr-Huhn noch den Schnabel wieder angeklebt und es hat auch neue Augen bekommen. Seitdem tickt es zwar nicht mehr richtig, aber das kann sich auch wieder ändern.