Prinzessinen & Grafen, Kartoffelmännchen & Pferdemädchen,

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Nach einer wirklich wirklich langen Pause (aber ich bin der Meinung, dieses Buch, Büchersammlung, eignet sich dafür) auf dem Hinweg und dem Rückweg, von und nach Groningen, wieder die Récherche zur Hand genommen und mich letztenendes durch das zähe Ende einer Liebe von Swann gebissen. Ja ich verstehe das schon, ich verstehe den Witz und die Pointe und es ist auch wirklich sehr sophistiocated my arse, aber der Weg zu den bitterbösen, subtilen Anmerkungen zur dort versammelten Gesellschaft von Prinzessinen und Grafen und wer auch immer die Revolution anscheinend leider doch überlebte, er schnörkelt sich doch sehr in eine übersteigerte Verziertheit hinein, bisweilen. Da man ja selber davor nicht gefeit ist, immer, so sigh us und weiter geht es. Nun im Abschnitt Ortsnamen • Namen überhaupt, dessen Name überhaupt ja schon ’ne Wucht ist, wo ich dann wieder beim jungen Protagonisten bin, zunächst in den schönen Ideen fremder Länder, die anhand des Zugfahrplans und der Ortsnamen entstehen, die von der Realität natürlich niemals eingelöst werden können, aber der Trick ist, darauf kommt es garnicht an. Wie schön beleuchtet die Fenster im Hinterhof jetzt gerade sind, wo es wieder dunkel ist bei Zeiten. Oben und unten die beiden Anlichtungen meines Lesezeichens, welches ich gerade benutze. Zettelwirtschaft.

Sonderling 2

Auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten, auf dem ich notgedrungen nun bereits seit längerem einen kleinen Stand besitze, an welchem ich Schnürsenkel, Leim und Losnieten um ein weniges feilbiete, heute wieder für die Mitmenschheit die Ohren rot, da sie sich auf die Bühne stellen unter der Erde; Schreiben können sie nicht, aber vorlesen müssen sie es dennoch und sich für verruchte Fotos aufräkeln, die kleinen niedersächsischen Kartoffelmännchen und Pferdemädchen. Als wenn’s kein Morgen gäbe. Und man kennt sie auch noch. So wird es immer sein in Hannover. Geht man dann hin und klatscht sich selbst auf die Schulter. Danke aber nein.

Hier lese ich die Tage

, mit dem gefilterten Auge, mit dem unbewussten Auge, mit dem Auge das zur Seite blickt und schweigt. Hier könnte auch gewohnt werden, ein improvisiertes Leben durch die Zeiten hindurch, so wie ich es ein wenig erinnere von gegenüber der Straße, ein wenig weiter die Straße hoch noch, wo die Fabriketagen neue Umfunktionen bekamen, vor Jahren, Jahrzehnten fast schon. Die Stadt ist also so sehr in mir, dass ich das alles weiß, so sehr, dass es kaum mehr eine Straße gibt, zumindest für die zweitbreitesten lässt sich das sagen, zu der mir nicht etwas einfallen könnte, vielleicht werde ich mich einmal darauf verlegen für eine Weile, mir das aus den Fingern zu schreiben, was mir zu den Orten der Stadt einfällt. Und doch entdeckt sich immer noch Neues, z.B. — das bedeutet aber immer gleich, an eine Transformation dessen zu denken, was vorgefunden wird. An eine weniger zweckmäßige Verortung, mit lauten Bäumen auf den Dächern. Gestern die ISS gesehen, die am Abendhimmel vorüberzog. In der Nacht dann wieder ein gewaltiges Donnern und Blitzen, Donnern und Blitzen. Den Schreibtisch könnte ich auch mal wieder aufräumen. Letzte Dienstbesprechung. Morgen in der ersten Stunde Bildinterpretation. Heute M. getroffen, in der deshalb etwas längeren Mittagspause. Zufällig einen unbekannten Musiker gesehen, der ein wenig desorientiert durch die Passerelle ging, mit Sonnenbrille auf. Im Café dann ein Akkordeonspieler. Wir trinken vermutlich auf Milch, Sahne und Crushed Ice basierende Kaltgetränke, meines mit Café, M. hat ein Glas dessen Inhalt Banane und Blaubeeren enthält, resp. Blueberry Banana, was natürlich nicht dasselbe sein kann. Am Nebentisch unterhalten sich zwei Mädchen über Abstufungen der Eifersucht, die sie gut finden oder nicht, bei sich selbst und anderen, bevor sie sich der höherer Kaffeesatzleserei zuwenden, also den Mathe-Hausarbeiten.

Ein Hund liegt platt auf dem Boden vor dem Supermarkt-Eingang

Jetzt könnte ich einen Brief weiterschreiben oder einen neuen beginnen oder ich könnte auch neue Musik auf das alte Telefon laden oder jungen Wein in alte Schläuche füllen, for whatever that means, oder die Aufnahmen anhören, oder ich warte einfach. Darauf das die Zeit vergeht. Man sollte sich hüten, der Annahme zu verfallen, dass sie das von selber tun würde. Das ist nämlich nicht so. Schließlich fällt auch niemand einen Baum, ohne hinzusehen. Ein Bild würde garnichts sagen, hätten wir die Worte nicht. So lässt der Text weiter auf sich warten, die Alben der Reisen nun auch endlich angelegt. Links liegen lassen. Später einmal, später dann.

Fragmentarisch

Gestern in der Mittagspause einen Mäusebussard gesehen und einen Storch. Am Abend lief ein Eichhörnchen über die Straße, auf der ich mit dem Fahrrad nachhause fuhr. Gestern eine Aufnahme gemacht von den Zügen, die hier vorbeifahren, denen ich tagaustagein zuhören könnte, zwei Häuserzeilen hinter der Firma die

Den Dienstag am Emmichplatz gewesen, dann mit einer der besten Buslinien, 200, zum Moltkeplatz gefahren. Verschiedene Gerüche von Zitronenseife. Am Treibhaus vorbeigefahren, in Gedanken, die nicht wiederkehren. Dann zu einem Supermarkt gelaufen, es ist warm und vor der Tür liegt ein Hund platt auf dem Boden. Ein Mann kommt aus dem Laden, sagt „Dir ist ja warm, ne?“ zu dem Hund, der ihn nur mit den Augen ansieht, von unten. Fotos gemacht von diesem Hund, Plakaten für politische Vorträge und (unpolitische) Malkurse, einer Schuttrutsche.

Den Mittwoch beinahe in der Maschine eingeschlafen, nur noch die Beine schauen hinaus in die weite Welt.

Den Donnerstag, der Mann in der Bahn, mit seiner Frau als Begleitung, beständig den Kopf schüttelnd, darauf eine Mütze mit Marine-Emblemen.

Die große Hitze scheint vorüber, gut überstanden all das, kleine Ventilatoren am Abend in den Fenstern, der Sturm hat am Kanal eine Weide umgeworfen, als wir den Freitag dort waren, da war sie abgesägt und die Sonne schien mir auf den Nacken zur Seite. Kleine Schwäne am Ufer, die Jungen kommen und vertreiben sie, oder es ist weil an der Brücke gefüttert wird, sie schwimmen dort hin. Dann angelt ein Junge, es wird nicht so recht, zu ungeduldig ist er noch und die Leine verheddert sich in der Uferböschung Gestrupp. Später springen sie von dort aus wo sie sind in das Kanalwasser. Eine Abgrenzung der kleinen Entenbuchtung, die dort ist, ganz von Wasser bedeckt, so sieht es ein wenig aus als würden sie über das Wasser laufen können. Sie sind vom Sommer ganz braungebrannt und den ganzen Tag draußen, dass man froh darüber sein kann. Sehr heiß ist dieser Freitag gewesen, aber es ist eine so trockene Hitze, dass wir es gut draußen aushalten. Vom Freiband kommt die Durchsage das nun geschlossen wird, am Abend um Acht.

Der Samstag auf dem Markt, Stachelbeeren Blaubeeren Johannisbeeren.

Nachher vielleicht einmal die Ton-Aufnahmen von den kürzlich unternommenen Reisen anhören. Es eilt alles nicht so sehr. Es verdichtet sich zuweilen etwas, auch herrscht ein Mangel an Gelegenheit, die Erlebnisse rechtzeitig zu notieren, so gerät vieles in die Vergessenheit. Bunte Träume: Ich bin ein Taucher und soll etwas aus einem versunkenen Frachtkahn bergen, der in der Gracht liegt. Es wird erzählt, dass die Leute noch eine Woche lang dort eingeschlossen waren, aber in einem Raum sich aufhielten, in dem kein Wasser eingedrungen war. Das Dach des Schiffes befindet sich einen Meter unter der Wasseroberfläche. Ich tauche kurz dort hinein und schwimme durch ein Fenster ins Innere, wo ich ein kleines Mädchen treffe, das eine Schatzkiste in den Händen trägt. Sie erzählt mir, dass sie den Sauerstoff, den sie zum Überleben braucht, aus den Geldscheinen bekommt, die in der Kiste sind und hällt sich einen Geldschein vor den Mund, dann bin ich in einem Zug, wir sind in einem Zug, wer auch immer wir jetzt sind, an einem Bahnhofskiosk kaufe ich eine Packung „Chewing Gum“, ich kaufe es auf Französisch, ich nehme also an, wir sind in Frankreich unterwegs und ich sage auch „Schuuing Gomme“, natürlich, mit kaum hörbaren E.