Als ich in Pattensen

aus dem Bus aussteige, ist das Gewerbegebiet glitzerig wie aus der Ariel-Werbung frisch gewaschen. Ich werd es nun bald verlassen, zentrale Citylage is the magic word. Der Brasilianer, jedenfalls spricht er portugiesisch, und sieht dunkler aus als Südeuropa, sagt der Busfahrerin „Tschüß“, wie an jedem Tag, ein freundlicher Mensch. Eigentlich sagt er „Schuuss“, dass tut aber hier nichts zu Sache. Auf dem Steppengrundstück, kürzlich gerodet, nur die Büsche und Bäume, die sich in den Jahren der Brache dort angesiedelt haben, sie stehen noch, auf dem Steppengrundstück also steht noch das Gestell dieses Schildes, auf welchem Stand „zu Verkaufen“. Manchmal macht Kaffee aber auch müde. Gestern hingegen diesen Kopfschmerz, diesen wachen, nicht unbedingt unangenehmen, eher wie ein geschlagener Takt, ein Metronom. Um 9:55h stand sie heute am Morgen hier, wartend. Auf was bloß? Der Bus fährt woanders entlang, nicht weit entfernt zwar.


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Petja, Deine rote Fahne kann man von überall sehen!

Meine erste Erinnerung an Petja ist, als wir, zusammen mit einigen anderen, das alte Polygramm-Haus in Hannover, welches abgerissen werden sollte, für den Bau des Funkhauses „ausschlachten“ durften. Wie er dort die Feuersirenen abgebaut hat, und mir erzählt hat, dass er die im Wendland benutzen möchte, „was meinst Du was da los ist, wenn Du die auf dem Feld anmachst!“. Wir haben dort, ich weiß es noch, aus dem Aufnahmeraum fürs Orchester, die Trennscheiben zum Mischraum abgebaut. Sie verbinden heute die zwei Studios bei radio flora ((. mit dem dazwischen liegenden Sprechraum.

Petja war engagiert für das Gute, ein Mensch der sich nicht verbiegen ließ, der sich mit Enthusiasmus und Freude und Intelligenz für seine Ideen einsetzte. Flora-Gründungsmitglied und lange Zeit die Gute Seele des Senders, wenn ich es so nennen darf. Ich hatte mit ihm insbesondere in seiner Eigenschaft als Sendetechniker zu tun, als jemanden, der Probleme nebenher bewältigte, und dabei noch Wissen vermitteln konnte, Sachen die ich mir gemerkt habe. Mitten in der Nacht konnte man ihn auf dem Handy anrufen, „Petja, wir kriegen das Nachtprogramm nicht gestartet, was sollen wir machen?“ und manchmal ist er dann sogar noch in den Sender geradelt. Dabei war er immer bestimmt, aber sehr respektvoll gegenüber jedem.
In letzter Zeit war es still um ihn geworden, er war schon seit längerem nicht mehr aktiv dabei, aus gesundheitlichen Gründen. Der Diensthabende Techniker sagte heute zu mir: „Immer sind es die Guten, die Sterben.“, und so scheint es leider zu sein. Ich habe heute, einige Stunden vor der Sendung, mal wieder, im Internet davon erfahren, und musste schwer schlucken. Jetzt, während ich dieses hier schreibe, merke ich erst, wie wichtig er auch mir gewesen ist. Wie er mir oft geholfen hat, dass er mit „Schuld“ ist daran, dass ich das immer noch mache. Und machen kann.
Im Funkhaus, am schwarzen Brett, hängt ein Ausdruck eine Fotos, vom Schornstein der ehemaligen Bettfedernfabrik, auf deren Gelände sich der Sender befindet. Daran befestigt ist eine Fahne, und darunter steht der Satz: „Petja, Deine rote Fahne kann man von überall sehen!“.

Dead Man / Amerika

Jim Jarmusch - Dead ManNeulich einmal wieder den Film „Dead Man“ angesehen, mit dieser großen Musik von Neil Young, der, Gerüchten zufolge, sich mit der Gitarre vor die Leinwand gestellt hat und im Licht des Rohschnitts improvisierte. Auch wunderbar bspw. Iggy Pop als Trapper-Transe und natürlich Johnny Depp, eigentlich alles. Was mir auffiel, dass ist diese Nähe zu Kafkas Geschichten und Bildern; Die Stadt, die „Machine“ heißt, das groteske Vorsprechen beim Direktor, der Heizer im Zug. Werde dann demnächst mal da reinlesen, ich denke da an „Amerika„, erscheint logisch.

It is preferrable not to travel with a dead man. (Henri Michaux)

Die Zeit: William Blake muss sterben

Ich stehe unter der Markise von dem Dönerladen am Steintor, an der Bushaltestelle, um dem Sommer Regen (den paar Tropfen) auszuweichen. Warmer würziger Dönerduft umschwebt mich ringsum, mit der einen Hand halte ich den heissen Togo-Becher, seines Deckels entledigt, während ich mit der anderen Hand, unter zuhilfenahme der Zähne, dass kleine Päckchen mit dem braunen Zucker aufreisse. Gerade möchte ich den auf dem Milchschaum gelandeten Zuckerhaufen in den Kaffee rühren, kommt der Bus, ich mit geöffnetem Becher, den Deckel unschlüssig darob platziert, fummel mir mit der anderen Hand das Portemonnaie aus der Tasche, öffne es, versuche dabei dem Togo-Becher ein möglichst sicheres (die Sitzpolster anbetreffend) Aussehen zu geben, ernte dennoch einen kritischen Blick des Fahrers, dem ich mein Studententicket herzeige, vielleicht aber auch wg. dieser Kaffeekonstruktion, auf den Kopfhörern „Autobahn“ von Kraftwerk, die lange Version.

Die Musik wird durch das Schreien eines kleinen Jungen übertönt, der mit seinem Vater unterwegs ist, der Vater zeigt auf ein an der Scheibe angebrachtes Zirkusplakat, ein Clown darauf, und macht zwei Töne, da lacht der Junge.